Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
Vom Netzwerk:
weder lamentiert noch diskutiert noch widersprochen. Wenn ich sage, du wartest draußen, dann will ich mich nicht umdrehen und feststellen, dass du hinter mir herläufst.«
    »Sie können sich auf mich verlassen. Ab jetzt bin ich folgsam wie ein Hund. Und die dritte Bedingung?«
    »Der Schlips kommt weg. Mit dem Ding siehst du aus wie ein Trottel.«
    »Na, hören Sie mal! Dieses Ding , wie Sie es nennen, hat viel Geld gekostet. Das ist eine Designer-Krawatte von …« Er verstummte, als ihm aufging, dass er bereits wieder im Begriff war, gegen Bedingung zwei zu verstoßen, indem er eine Diskussion vom Zaun brach. Resigniert löste er den Krawattenknoten und ließ Micky in der Tasche seines Jacketts verschwinden.
    Sie tauschten die Handynummern aus, dann ließ Frau Sturm den Motor an und ritt auf einem Blitz aus Chrom davon. Zum Abschied lächelte sie ihm ein zweites Mal zu.
    Lohmann schaute ihr lange nach, in der Hoffnung, sie würde sich noch einmal nach ihm umdrehen. Als er einsah, wie lächerlich das war, schlenderte er zu seinem Auto. Den Motorradhelm, der einst dem Anführer der Smiling Jawbreakers gehört hatte, legte er neben sich auf den Beifahrersitz.
    Die Vorstellung, Frau Sturms Telefonnummer in der Tasche zu haben, bescherte ihm ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch, das er nicht zu deuten vermochte. Ob sie vielen Männern ihre Nummer gab? So wie sie aussah, hatte sie garantiert jeden Abend eine Verabredung mit einem anderen Verehrer. Unsinn, in ihrem Alter war sie längst verheiratet! Allerdings hatte er keinen Ring gesehen. Ohne sich richtig auf den Straßenverkehr zu konzentrieren, erreichte er nach einer halben Stunde Autofahrt sein Ziel.
    »Jesus«, sagte er und stieg aus dem Wagen. »Jetzt wird’s ernst.«

Kapitel 24
    Zeit bis zum Beginn der Operation Schneesturm:
13:49:07
    Bisher hatte Lohmann die Gartenpartys geliebt, die sein wohlhabender Onkel den ganzen Sommer über veranstaltete, und das lag zum einen an der Gesellschaft, die sich am Wochenende dort einfand, zum anderen an der Örtlichkeit: ein restauriertes Gutshaus, idyllisch am Waldrand gelegen, nur einen Steinwurf entfernt vom Rhein. Dreh- und Angelpunkt des Zusammenkommens war dann regelmäßig die riesige Terrasse, auf der sich vornehme Frauenzimmer in Designerkleidern und mit Cocktailgläsern bewaffnet bei Kavalieren mit Cognacschwenkern und bedeutungsvoller Mimik unterhakten. Die Luft roch nach Erde, nach Tannennadeln, nach dem Parfüm der Damen, und während hier der Herr Dekan und seine Gattin mit dem Herrn Vorstandsvorsitzenden und seiner Geliebten plauderten, sah man dort die ehrenwerten Stadträte, die unter einem Dach aus wildem Wein in Richtung Steingarten-Bar flanierten und gestenreich die Welt verbesserten. Kurzum, das Ambiente war perfekt.
    Doch nicht an diesem Abend.
    Lohmann wusste nicht, was mit ihm los war, aber aus irgendeinem Grund verachtete er die vornehmen Damen in ihrem Glitzerfummel, die ihm plötzlich allesamt wie affektierte Nebelkrähen vorkamen, und die Herren mit ihrem großspurigen Gehabe gingen ihm einfach nur auf die Nerven. Oder auf den Sack, wie er, boshaft in sich hineingrinsend, feststellte.
    Zu seiner schlechten Laune gesellte sich ein extra Stimmungsdämpfer, nämlich die Aussicht auf eine Unterredung, die leicht zur Konfrontation ausarten konnte, wenn er nicht höllisch aufpasste. Sein Widersacher bei der bevorstehenden Debatte war jemand, den alle Anwesenden als Mann der Stunde feierten, als den Himmelsstürmer mit dem großen Konzept, den Alleskönner, der immer lächelte und der seine Maßanzüge und die handgenähten Lederschuhe aus Mailand bezog. Es lag auf der Hand, dass man gegen so jemanden nur den Kürzeren ziehen konnte, noch dazu, wenn dieser Jemand der eigene Onkel war.
    »Noch ein Evian mit Zitrone?«, fragte ein junger Bursche in weißer Jacke, der ein Tablett herumtrug. Er gehörte zum Catering-Service.
    »Was?« Lohmann hatte sich in die hinterste Ecke der Terrasse verdrückt, um das Unvermeidliche hinauszuzögern. Dort stand er am Geländer, den Rücken zum Publikum, und tat so, als genieße er die Aussicht. Hin und wieder riskierte er einen flüchtigen Schulterblick, um eine Gruppe von fünf oder sechs Nadelstreifenanzügen zu beobachten, die sich schwanzwedelnd um Dr. Waldemar Bohne scharten, den zukünftigen Polizeipräsidenten, der am Montag offiziell die Amtsgeschäfte übernehmen würde.
    Dr. Bohnes Begleiter waren lokale Polit- und Finanzgrößen, ausnahmslos honorable Herren

Weitere Kostenlose Bücher