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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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braunen Haaren umrahmt wurde.
    Einem Gesicht, das ihr zwar bekannt war, mit dem sie allerdings keine guten Erinnerungen verband.
    »Hinrich?«, fragte Anneke ungläubig, denn der Bursche, der die Söldneruniform trug, war ganz eindeutig Roland Martens' Sohn. Er war dünner geworden und eine Narbe prangte auf seiner Wange. Die rote Farbe verriet, dass sie noch frisch war.
    Auch er schien sie wiederzuerkennen.
    »Anneke«, presste er hervor, so leise, als wollte er seine Kameraden nicht wissen lassen, dass zwischen ihnen eine Bekanntschaft, ja sogar eine Verwandtschaft bestand.
    »He, was ist nun!«, rief einer der Männer und nestelte an seinem Leibgurt.
    »Lass deine Hose zu, Walter!«, entgegnete Hinrich harsch und winkte dann einen anderen Mann heran. »Sönke, das ist sie!«
    Anneke blickte nun in das Gesicht einer etwas älteren Ausgabe von Hinrich. Die beiden hätten Zwillinge sein können, wenn die Jahre sie nicht voneinander getrennt hätten. Sie teilten das struppige braune Haar und die blauen Augen. Der ältere Martens-Bruder war nur ein Stück größer als der andere.
    Ebenso wie Hinrich steckte Sönke in einer schlecht sitzenden Landsknechtsuniform.
    »Ich fasse es nicht! Unsere kleine Schwester!« Sein breites Lächeln glich dem ihres Vaters aufs Haar.
    Anneke bemerkte, dass die anderen Männer nun zurückwichen.
    Sönke reichte ihr die Hand und zog sie dann so mühelos, als hätte sie kein Gewicht, auf die Füße.
    »Hinrich hat mir viel von dir erzählt«, sagte er freundlich und stützte sie, worauf Anneke verwundert zu dem jüngeren Martens blickte. Konnte es sein, dass Hinrich gut über sie gesprochen hatte? Oder war Sönke nur vernünftig genug, sie nicht Hurenkind zu nennen?
    »Ach so, hat er das?«, fragte Anneke gereizt zurück.
    »Ja, das hat er. Und er meinte auch, dass du eine ziemlich scharfe Zunge hast. Wie man hören kann, hat er nicht gelogen.«
    Anneke wollte schon etwas erwidern, doch dann schoss ihr Wichtigeres durch den Sinn.
    »Ingmar?«, fragte sie und blickte sich hektisch um. Sie konnte ein wenig Strandgut ausmachen, aber keinen weiteren Körper. Hatten ihn die Söldner bereits ausgeplündert und ins Meer zurückgeworfen?
    »Wen meinst du?«, fragte Sönke und blickte sich verständnislos um.
    Annekes Magen krampfte sich zusammen.
    »Ist hier denn kein Junge an Land gespült worden? Er ist ziemlich groß und blond.«
    Der Gedanke, dass die Landsknechte ihn getötet haben könnten, ließ sie entsetzt nach Luft schnappen.
    »Hier ist kein Junge«, entgegnete Sönke. »Wir haben nur dich gesehen und sind gleich zu dir gelaufen.«
    »Aber er war mit mir an dem Mast, als wir …«
    Anneke verstummte, als ihr Halbbruder den Kopf schüttelte.
    »Hier war wirklich niemand außer dir und ein wenig Strandgut. Wir haben Reste von Segeln und Masten gefunden, außerdem ein paar Fässer mit Proviant.«
    Sönke bemerkte die Verzweiflung in ihren Augen und wandte sich zu seinen Kameraden um.
    »He, habt ihr irgendwo am Strand einen Jungen liegen sehen?«
    »Nein!«, tönte nacheinander aus verschiedenen Kehlen.
    »Wenn doch, hätten wir ihm die Kleider abgenommen«, fügte, der, den Hinrich Walter genannt hatte, hinzu. »Ich könnte mal wieder 'ne neue Hose gebrauchen, die alte fällt mir bald von den Arschbacken.«
    Anneke erschütterten diese Worte zutiefst. War Ingmar ertrunken? Oder woanders angeschwemmt worden?
    Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle hoch, doch vor den Männern und vor allem vor Hinrich wollte sie nicht weinen.
    »Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte sie und hoffte, dass den anderen nicht auffiel, dass sie um Fassung rang.
    »Kurz vor Stralsund, wo sonst?«, antwortete Hinrich.
    »Und was ist mit der Belagerung?«
    »Die ist seit ein paar Wochen vorbei. Hat die Stadt arg mitgenommen, aber immerhin haben die Dänen und Schweden dafür gesorgt, dass die Kaiserlichen nicht in die Stadt gekommen sind.«
    Das zu hören erleichterte Anneke ein wenig. Wenigstens werden Marte und Vater noch am Leben sein, dachte sie. Und vielleicht ist es Ingmar gelungen, doch irgendwie in die Stadt zu gelangen, vielleicht sogar in den Hafen.
    Sie dachte wieder an den Traumhandel, den Susanna und ihre Mutter mit der dunklen Gestalt eingegangen waren. Zwar war sie sicher, dass dies nichts weiter als ein Traum gewesen war, aber wenn sie es an Land geschafft hatte, warum nicht auch Ingmar?
    Er hatte immerhin die Kraft gehabt, sie auf den Mast zu schieben. Es durfte nicht sein, dass er ertrunken

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