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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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werde ich nie wieder einen Fuß auf ein Schiff setzen!, schwor sie im Stillen, als sie sich auf die Pritsche hockte.
    *
    Nach ein paar Tagen auf ruhiger See zogen an einem Morgen dunkle Wolken auf. Sie folgten dem Schiff wie Raubvögel und drohten, es jeden Augenblick einzuholen.
    Anneke blickte beunruhigt aus dem Fenster. War vielleicht doch etwas dran an dem Aberglauben? Vielleicht sah Neptun wirklich nur auf das Äußere, und während er damals übersehen hatte, dass sie ein Mädchen war, erkannte er sie nun deutlich an ihrem Kleid.
    Das widersprach jeglicher Vernunft, aber angesichts der schwarzen Wolkenfetzen, die sich ihnen bedrohlich näherten, konnte sie sich dieser Gedanken nicht erwehren.
    »Wie lange wird es wohl noch dauern, bis wir da sind?«, fragte sie, während sie den Blick nicht vom Himmel lassen konnte.
    Die Worte des halbblinden Seemanns gingen ihr durch den Kopf: Wir sind dem Untergang geweiht, Jungs, betet zum Klabautermann!
    Während sie von dem alten Svensson nur einen unverständigen Blick erntete, antwortete Ingmar: »Auf See ist es schwer zu sagen, das Schiff fährt unterschiedlich schnell und keine Reise dauert exakt so lange wie die andere.«
    »Dann könnte es sein, dass wir bei einem Sturm schneller sind?«
    Ingmar lachte auf. »Im Gegenteil! Die Seeleute werden gewiss die meisten Segel einholen, damit der Sturm sie ihnen nicht zerfetzt.«
    »Aber dann ist das Schiff dem Meer ja vollkommen hilflos ausgeliefert!«
    »Nicht, wenn der Kapitän ein erfahrener Mann ist«, setzte Hendrick Svensson hinzu. »Er wird wissen, was zu tun ist.«
    Das hoffte Anneke inständig, denn die Wolken holten sie nun ein und bedeckten den Himmel wie ein dunkles Tuch.
    Schon bald gingen Blitze auf die Wasseroberfläche nieder und ein markerschütterndes Grollen ertönte.
    Die Erinnerung an jenen Tag, als sie mit Marte am Meer gestanden und das leuchtende Segel gesehen hatte, erwachte in Anneke und ließ sie plötzlich frösteln. Angst fraß sich in ihren Magen.
    Jetzt war sie auf dem Schiff, das in den Sturm geriet. Doch es würde keine Küste geben, von der aus man ihr Schicksal beobachten konnte. Wenn sich alles gegen sie verschwor, würden sie einfach so im Meer versinken und niemand würde wissen, was geschehen war.
    Den Blitzen und dem Donnergrollen folgte bald schon der Sturm, der das Schiff unbändig schwanken ließ.
    »Dieses verdammte Meer«, hörte sie draußen den Kapitän poltern. »Führt sich auf, als würde der Teufel darunter zum Tanz aufspielen!« Er hatte seine Kajüte neben der ihren und war hörbar verärgert darüber, dass er von seinen Seekarten fortmusste.
    »Vielleicht sollten wir auch nach oben«, bemerkte Anneke.
    »Ihr werdet hierbleiben«, entschied Hendrick Svensson. »Ich sehe nach, ob ich mich nützlich machen kann.«
    Damit verließ auch er die Kajüte. Anneke blickte ihm ängstlich nach und zog dann die Knie fest an den Leib. Ingmar setzte sich neben sie auf die Bank.
    »Was meinst du, wird das Schiff sinken?«, fragte sie, während sie noch immer aus dem Fenster blickte.
    »Ich weiß es nicht. Es ist solide gebaut und sieht so aus, als hätte es schon etliche Stürme hinter sich gebracht. Der Kapitän ist erfahren und …«
    »Der alte Seemann hat rote Wolken gesehen.«
    »Auch so eine Redensart wie das Unglück, das eine Frau an Bord bringen soll«, gab Ingmar zurück und küsste sie auf die Stirn.
    Anneke schloss die Augen, um die Berührung seiner Lippen so lange wie möglich auszukosten. Wenn ich schon sterben muss, dachte sie, dann wenigstens mit diesem Gefühl.
    Jäh wurde die Tür ihres Quartiers aufgerissen.
    Hendrick Svensson war von Kopf bis Fuß durchnässt. Sein Haar hing ihm wirr ins Gesicht.
    »Ingmar, komm mit, wir sollen helfen, die Mastbäume zu sichern.«
    Diese Worte erschreckten Anneke zutiefst. »Ist das nicht gefährlich?«
    »Das ist es, aber wir brauchen hier oben jede Hand.«
    »Und was ist mit mir?«, fragte sie, denn sie wollte auf keinen Fall, dass sie zur Tatenlosigkeit verdammt war, während Ingmar sich dieser Gefahr aussetzte.
    »Du wirst hier bleiben und die Fensterluke schließen. Sollte das Schiff sinken, wirst du versuchen, dich an irgendwas aus Holz zu klammern.«
    Anneke brachte vor Angst keinen einzigen Ton hervor. Sie konnte nur Ingmar anstarren. Was, wenn er über Bord ging? Konnte sie denn wirklich nichts weiter tun, als hier abzuwarten, wie das Schicksal entschied?
    »Passt auf euch auf!«, rief sie schließlich den beiden Männern

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