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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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ein Schneeball auf einem Ziegelstein wirken.
    »Und hier entlang geht es zu meinem Kontor.« Roland Martens deutete auf ein weiteres Gebäude. Es hatte einen hohen Giebel und wirkte wesentlich massiger als das Wohnhaus. In seine Fenster waren Butzenscheiben eingesetzt worden. »Der Eingang für die Kundschaft befindet sich auf der Straßenseite des Gebäudes, das hier ist der Hintereingang, durch den die Waren hereingebracht werden.«
    Kaum hatten sie die blau gestrichene Tür erreicht, kam ihnen ein Junge entgegen, der vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war. Er trug eine grob gewebte grüne Schürze über seinen Kleidern, seine Beine steckten in braunen Kniehosen, beigefarbenen Strümpfen und staubigen schwarzen Spangenschuhen. Gesichtszüge und Haarfarbe ähnelten denen des Kaufmanns, nur trug er seine Haare kurz geschnitten.
    Als er Anneke bemerkte, wurde sein Blick feindselig.
    Roland Martens schien das nicht zu bemerken. »Hinrich, komm her und begrüße …«
    Weiter kam er nicht, denn der Junge machte sofort kehrt und verschwand wieder hinter der Tür. Anneke blickte verwundert zu Martens auf und bemerkte, dass seine Miene bedrückt war.
    »Wer war das?«, fragte sie vorsichtig.
    »Dein Bruder«, antwortete Martens und klopfte ihr kurz auf die Schulter. »Warte hier einen Moment.«
    Mit langen Schritten eilte er zum Kontor.
    Anneke wurde unbehaglich zumute. Hatte der Kaufmann nicht behauptet, dass sie allen willkommen sei? Ihr Bruder wirkte nicht so, als würde er sich über seine neue Schwester freuen.
    Gespannt betrachtete sie die Kontorstür. Noch regte sich dort nichts. Auch Schritte waren nicht zu vernehmen.
    Nach einer Weile wandte sie sich dem Huhn zu. Es ruckte den Kopf von einer Seite auf die andere und riss staunend die Augen auf.
    »Willst du mit den anderen auf dem Hof herumlaufen?«
    Bevor die Henne irgendwie darauf reagieren konnte, wurde es im Kontor laut. Der Kaufmann hatte wohl eine Weile nach seinem Sohn suchen müssen.
    »Du wirst jetzt rauskommen und deine Schwester begrüßen!«, donnerte er.
    »Sie ist nicht meine Schwester!«, brüllte Hinrich zurück. Anneke konnte ganz deutlich den Hass in seiner Stimme hören.
    »Sie ist meine Tochter, genauso, wie du und Sönke meine Söhne sind!«, entgegnete Martens ungehalten. »Du wirst ihr den gleichen Respekt entgegenbringen wie deinem Bruder!«
    »Sie ist nicht mein Bruder. Und auch nicht meine richtige Schwester. Sie ist ein gottverdammter Bastard!«
    Eine Ohrfeige beendete seine Tirade.
    Anneke zuckte unter dem Klatschen zusammen und spürte gleichzeitig ein unangenehmes Ziehen im Magen.
    Früher hatte man sie zuweilen auch Bastard geheißen, doch derjenige hatte sich anschließend von ihrer Mutter etwas anhören können. Später hatte sie Kinder, die sie so nannten, persönlich gestraft. Mehr als drei oder vier Mal hatte sie sich allerdings nicht prügeln müssen, bis alle begriffen hatten, dass es Kopfnüsse und Ohrfeigen für dieses Wort hagelte.
    Offenbar hielt ihr Vater das genauso.
    Dennoch wurde Anneke unbehaglich zumute. Wenn ihr neuer Bruder sie so nannte, würde er wohl alles daran setzen, ihr das Leben schwer zu machen.
    Nach einer Weile flog die Kontorstür auf und heraus traten Roland Marten und sein Sohn. Hinrichs linke Wange glühte dunkelrot, beinahe sah er wie ein Apfel aus, der nur von einer Seite Sonnenlicht bekommen hatte.
    Er funkelte Anneke so wütend an, als hätte sie ihm den Schlag versetzt.
    »Hinrich, das ist deine Schwester Anneke«, stellte der Kaufmann das Mädchen nun richtig vor.
    Anneke ballte unwillkürlich die Fäuste. Willst du mich nun von Angesicht zu Angesicht beleidigen? Kannst eine Kopfnuss dafür kriegen!
    Aber seine brennende Wange hielt Hinrich davon ab. Er nickte nur und blieb bei seinem finsteren Blick.
    Früher hatte sich Anneke manchmal ausgemalt, wie es sein würde, einen Bruder oder eine Schwester zu haben. Sie hätte mit ihnen an den Strand laufen und in den Dünen Versteck spielen können.
    Mit dem Bruder, der nun vor ihr stand, war das ausgeschlossen.
    Anneke erwiderte sein Nicken und versuchte sich an einem Lächeln, doch Hinrich blieb ungerührt.
    »Kann ich jetzt wieder gehen, Vater?«, wandte er sich betont gelangweilt an den Kaufmann. »Ich habe noch viel Arbeit zu erledigen.«
    Roland Martens, dessen Kopf vor Zorn noch immer hochrot war, nickte ihm zu.
    Ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, wandte sich Hinrich um und trottete wieder zum Kontor zurück.
    Ein

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