Sturmtief
werde.«
Lüder grinste ihn an. »Und was ist mit Dr. Starke?
Wenn der einen Brief verschickt, leckt er dir auch über die Rückseite.«
Friedjof schüttelte sich. »Iiiigittt«, sagte er
gedehnt. »Dann hau ich lieber ab. Das will ich doch nicht.«
»Mach’s gut, Friedhof«, rief ihm Lüder hinterher. Dann
sah er auf die Uhr. Mittlerweile war es Nachmittag geworden. Er hatte seine
Verabredung zum Mittagessen mit Kriminaloberrat Gärtner versäumt.
Lüder wurde durch das elektronische Zirpen seines
Telefons abgelenkt.
»Möhlmann«, meldete sich eine sympathische
Frauenstimme. »Hallo, Herr Dr. Lüders.«
Lüder erwiderte den Gruß der Sekretärin des Leiters
des Landeskriminalamts.
»Schönen Gruß vom Chef«, richtete Frau Möhlmann aus.
»Sie möchten sich bitte umgehend in der Staatskanzlei melden.«
»Bei uns gibt es auch guten Kaffee«, sagte Lüder mit
spöttischem Unterton.
»Das nehme ich Ihnen ab. Aber der Herr
Ministerpräsident wird Sie kaum im Eichhof besuchen kommen. Und wenn er das
Gespräch mit Ihnen sucht, müssten Sie sich zu ihm begeben.«
Lüder lachte gekünstelt auf. »Wir haben Oktober und
nicht den ersten April.«
»Ich weiß um Ihre lockeren Umgangsformen. Dennoch hat
sich die Staatskanzlei eben beim Chef gemeldet und gebeten, dass Sie umgehend
dorthin kommen. Der Herr Ministerpräsident möchte mit Ihnen reden.«
Lüder konnte seine Überraschung nicht verhehlen. Das
klang wirklich ungewöhnlich. Nach einem frustrierenden Fall, in dem man auch
Lüders Familie bedroht hatte, hatte sich Lüder eine Weile mit dem Gedanken
getragen, den Polizeidienst zu verlassen. Alle Bemühungen, eine adäquate
Position in einer Anwaltskanzlei zu finden, waren aber gescheitet. Lüder hatte
daraufhin ein Jahr lang im Bereich der Sicherheit und des Personenschutzes
gearbeitet, sich während dieser Zeit nicht nur besondere Fähigkeiten und
Fertigkeiten angeeignet vom Selbstschutz über ein spezielles Waffentraining bis
hin zu einer besonderen Ausbildung am Steuer eines Fahrzeugs, sondern auch
engen Kontakt zum ersten Bürger des Landes knüpfen können. Die beiden Männer
hatten von Beginn an Sympathie füreinander empfunden, und es war auch nicht
ausgeblieben, zwischendurch einmal ein privates oder persönliches Wort zu
wechseln. Doch das war sicher nicht der Grund, weshalb ihn der Regierungschef
zu sich bestellte.
Lüder begab sich zu seinem BMW , fuhr vom Mühlenweg, der am westlichen Stadtrand lag, an
der Christian-Albrechts-Universität vorbei zum Düsternbrooker Weg, der parallel
an der Förde entlangführte und an dem zahlreiche Ministerien wie an einer
Perlenkette aufgereiht nebeneinanderlagen. Für die nicht ganz drei Kilometer
benötigte er nur wenige Minuten. Obwohl Kiel eine pulsierende Landeshauptstadt
war, kannte man hier kaum Verkehrsprobleme, wie sie in anderen Ballungsräumen
üblich waren. In der Reventlouallee warf er einen Blick auf das Gebäude, in dem
früher ein Edelbordell residierte, vor dem ein argentinischer Marineoffizier
ermordet worden war. Lüder erinnerte sich an die heiklen Ermittlungen und die
internationalen Verwicklungen in diesem Fall. Damals hatte er erfahren, dass
Politik ein schmutziges Geschäft sein kann. Ob das auch auf die Affäre mit der HSH Nordbank zutraf, überlegte er, als
er am Ende der Straße nach links abbog und dabei während der Rotphase auf das
dunkle Backsteingebäude des Finanzministeriums blickte. Hoffentlich hatte sich
Havenstein nicht der Hintergründe des Wirrwarrs um diese Angelegenheit
angenommen, dachte Lüder und entschuldigte sich durch ein Handzeichen, als sein
Hintermann hupte, um ihm zu bedeuten, dass Lüder den Wechsel auf Grün nicht
mitbekommen hatte.
Den Düsternbrooker Weg führten eine Reihe von
Ministerien als Anschrift. Im Landeshaus hatte der Landtag seinen Sitz, dessen
Sitzungssaal in Form eines Glaswürfels zur Förde hinaus gebaut worden war.
Auch die Staatskanzlei, der Sitz des
Ministerpräsidenten, lag in dieser Kette mit Blick auf die Förde und das
Ostufer.
Trotz Dienstausweis und am Empfang hinterlegter
Nachricht, dass er erwartet wurde, musste Lüder an der Sicherheitsschleuse
warten, bis er von einer Mitarbeiterin abgeholt wurde. Die junge Frau führte
ihn durch die Gänge zum Vorzimmer des Ministerpräsidenten. Lüder begrüßte die
beiden ihm aus der Zeit des Personenschutzes bekannten Sekretärinnen mit
Handschlag und tauschte ein paar belanglose Artigkeiten aus. Dann durfte er in
das Allerheiligste
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