Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturmtief

Titel: Sturmtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
Vom Netzwerk:
dass er
nicht viel mehr als warten konnte. Er versuchte die Zeit zu überbrücken und
rief in Geesthacht an. Eine Mitarbeiterin von Dr. Bringschulte teilte ihm in
unfreundlichem Ton mit, dass der Forschungsmanager nicht erreichbar sei. Sie
hätte keine Möglichkeit, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen.
    »Ist Dr. Bringschulte überhaupt im Haus?«, fragte
Lüder.
    »Sicher. Das hatte ich schon gesagt«, keifte die Frau.
    Lüder ging nicht darauf ein. Er wollte mit ihr nicht
darüber diskutieren, dass Dr. Bringschulte auch einen auswärtigen Termin hätte
wahrnehmen können. »Dann verbinden Sie mich mit Dr. Ahwaz-Asmari oder Herrn
Hyesan.« Lüder verzichtete auf das »bitte« in seiner Frage.
    »Ich bin nicht die Telefonzentrale«, entgegnete die
unfreundliche Frau.
    »Und ich kein Bittsteller«, sagte Lüder ebenso
unfreundlich. »Ich gebe Ihnen fünf Minuten Zeit, dann erwarte ich Ihren
Rückruf. Dr. Lüders ist mein Name. Kriminalrat im Landeskriminalamt Kiel.«
    Das veranlasste die Frau nicht, freundlicher zu sein.
Immerhin knurrte sie: »Ich will’s versuchen.«
    Lüder hatte das Gefühl, Dr. Bringschultes
Mitarbeiterin ließ ihn absichtlich über Gebühr lange in der Warteschleife der
elektronisch erzeugten Musik lauschen, die durch ein »Please hold the line« unterbrochen wurde.
    »Hören Sie«, bellte die Frau schließlich in den Hörer,
»Herr Hyesan ist mit Dr. Bringschulte im Meeting, und Herr Ahwaz ist nicht im
Hause.«
    »Hat er Urlaub? Ist der angemeldet? Oder ist Dr.
Ahwaz-Asmari krankgemeldet?«
    »Das weiß ich wirklich nicht. Das ist auch nicht meine
Aufgabe, es zu wissen.«
    »Mir ist schon klar geworden, dass Sie wenig wissen«,
setzte Lüder eine Spitze. »Verbinden Sie mich mit jemandem, der besser
informiert ist. Und wenn Sie es schnell tun, behindern Sie nicht die
polizeilichen Ermittlungsarbeiten.«
    Statt einer Antwort knackte es im Hörer, die Musik
erschallte erneut, und dann meldete sich eine andere Frauenstimme, die
wesentlich freundlicher klang. Sie hörte sich Lüders Bitte an und sagte kurz
darauf: »Ich bedaure, aber Dr. Ahwaz-Asmari ist heute Morgen nicht erschienen.
Er hat sich auch nicht abgemeldet.«
    Lüder atmete tief durch. War das eine weitere
ungelöste Frage, die sich ihm stellte? Es war schon eine merkwürdige
Konstellation: eine israelische Journalistin und ihr eifersüchtiger Ehemann und
ein iranischer Wissenschaftler, der an einem Atomprogramm mitarbeitete. Auch
politisch weniger interessierte Menschen wussten um die langjährigen
Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Iran um den Bau von Atomwaffen.
Angeblich sollte Israel darüber verfügen, wollte aber um jeden Preis
verhindern, dass die Iraner auch in den Besitz solcher Waffen gelangten. Die
wiederum sträubten sich vehement gegen die Kontrolle ihrer Atomanlagen und nahmen
für sich das Recht der friedlichen Nutzung der Kernenergie in Anspruch.
    Deutschland hatte traditionell gute Kontakte zum
arabischen Raum. Andererseits gab es eine historische Verpflichtung der
Rücksichtnahme gegenüber Israel. Die Kanzlerin hatte in ihrer Rede vor dem
amerikanischen Kongress und dem Senat unmissverständlich bekundet, dass
Deutschland fest an der Seite Israels stehe. Dafür hatte sie viel Applaus
erhalten, was für deutsche Politiker im Ausland nicht die Regel war.
    Und wenn auch nicht gern darüber gesprochen wurde, so
hatte doch die israelische Marine U-Boote aus Deutschland bezogen, die von der
Bundesrepublik finanziert worden waren. Hannah Eisenberg hatte ein auffallendes
Interesse an den U-Booten in Eckernförde bekundet. Lag da ein Schlüssel für
diesen Fall? Deutschland hatte Israel auch Abwehrraketen überlassen. Auch über
deren Kaufpreis hüllte man sich in Schweigen. Sicher gab es auf dem
diplomatischen Feld viele Dinge, die besser nicht an die Öffentlichkeit
drangen. Auch Staaten hatten ein Anrecht darauf, dass Geheimnisse gewahrt
wurden. Tödliche Geheimnisse?
    Lüder nahm seinen Kaffeebecher und ging ins
Geschäftszimmer. Edith Beyer sah kaum auf, als er eintrat.
    »Irgendetwas bedrückt Sie«, stellte Lüder fest und
legte seine Hand auf die Schulter der sonst so fröhlichen Frau.
    »Manchmal gibt es auch privaten Kummer«, antwortete
Edith Beyer.
    Lüder nickte in Richtung des Büros des
Kriminaldirektors. »War er das? Soll ich meine Dienstwaffe holen und ihn
erschießen?«
    Sie lächelte gequält. »Das wäre manchmal angebracht.
Aber heute ist er unschuldig. Trotzdem – danke. Außerdem

Weitere Kostenlose Bücher