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Sturmtief

Titel: Sturmtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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Markt, vielleicht eine Chance aufs Überleben haben könnte,
und bog in die Querpassage ab. Auch hier gab es ein Café einer Bäckereikette.
Aber weder dort noch auf den Sitzmöglichkeiten im Durchgang sah er Dov
Eisenberg. Am Übergang der Passage zum großen Buchtempel kehrte er um und sah
noch bei »Giovanni« und der dortigen Außengastronomie vorbei. Für den Rückweg
nutzte er die Rolltreppe ins Erdgeschoss und schlenderte in Richtung Bahnhof
zurück.
    Unterwegs begegnete er einer Gruppe junger Leute, die
in inszenierter Fröhlichkeit einander knufften und schubsten und sich nicht
daran stießen, dass sie dabei auch andere Kunden berührten.
    Ungefähr auf der Hälfte der Einkaufspassage öffnete
sich diese zu einem runden Platz, der im Zentrum um ein paar Stufen abgesenkt
war. In der Mitte stand eine Säule, auf deren Spitze zwei vergoldete Engel
saßen, die ihre Blöße schamhaft durch übereinandergeschlagene Beine verdeckten
und dem »Café Engelchen« den Namen gaben.
    Lüder ließ seinen Blick durch das Rund schweifen und
entdeckte den Israeli, der an einem der kleinen Marmortische nahe der Säule
Platz genommen hatte.
    »Hallo, Herr Eisenberg«, begrüßte er den Mann und ließ
sich ihm gegenüber nieder.
    »Guten Tag«, erwiderte Eisenberg und musterte Lüder
aus zusammengekniffenen Augen. Er ließ den Blick vom Kopf bis zu den Fußspitzen
wandern, so als würde er Lüder scannen.
    Lüder hatte seinen Stuhl noch gar nicht
zurechtgerückt, als schon die Bedienung erschien und nach seinen Wünschen
fragte.
    An der Säule hingen große Schiefertafeln, auf denen
mit Kreide für »unsere Schokoladenseite« geworben wurde und Produkte aus
Konditorenhand offeriert wurden.
    »Wir haben auch noch andere Torten«, zählte die junge
Frau auf und zeigte auf das Buffet, das am Rande des Rondells stand und unter
dessen gläserner Haube weitere Leckereien auf den Verzehr warteten.
    Lüder wählte einen Cappuccino und verzichtete auf eine
Kalorienbombe. Nachdem die Bedienung sich zurückgezogen hatte, eröffnete er das
Gespräch offensiv.
    »Warum haben Sie sich geweigert, mit den deutschen Behörden
zusammenzuarbeiten?«
    »Ich traue ihnen nicht.«
    »Wollen Sie Ihr Geschichtsbild nicht revidieren?
Denken Sie an die vielfältige Hilfe, die die Bundesrepublik Israel hat zukommen
lassen.«
    Eisenberg zog die Nase hoch. Lüder war unklar, ob es
sich um eine verächtliche Geste handelte oder einfach nur um ungehöriges
Benehmen.
    »Glauben Sie, mit Geld alles kaufen zu können? Nehmen
Sie Ihren Großvater. Der war bei der Waffen- SS .«
    »Wie viele Männer seiner Generation hat mein Opa sich
dem Dienst an der Waffe nicht entziehen können. Die Männer seiner Generation
sind nicht gefragt worden, ob sie in den Krieg ziehen wollten. Im Übrigen hat
mein Großvater nicht in der SS ,
sondern in der Wehrmacht gedient.«
    »Das ist unzutreffend.« Eisenberg fuhr aufgeregt mit
der Hand durch die Luft. »Und deshalb glaube ich weder Ihnen noch der deutschen
Polizei.«
    »Haben Sie anderslautende Beweise?«, fragte Lüder, der
den Eindruck hatte, Eisenberg wollte ihn provozieren.
    »Beweise – Beweise. Hören Sie mit solchen Sprüchen
auf. Aus dieser Ecke kommen die Holocaust-Leugner.«
    »Es geht hier nicht um den Holocaust, sondern um
handfeste aktuelle politische Interessen, um hochbrisante gemeinsame Projekte
unserer beiden Staaten.«
    »Davon weiß ich nichts. Ich bin ein schlichter
Straßenbauingenieur«, erklärte Eisenberg, lehnte sich zurück und verschränkte
die Arme vor der Brust.
    Lüder lächelte den Mann an. Dann schüttelte er sanft
den Kopf. Es war eine Geste, die an Überheblichkeit grenzte und dem Gegenüber
signalisierte, dass Lüder ihn für unterlegen hielt.
    Eisenberg sprang prompt darauf an. »Ihre Arroganz
widert mich an«, schimpfte er und wurde dabei so laut, dass er kurzfristig die
Aufmerksamkeit der Gäste des Nachbartisches auf sich zog.
    Lüder tippte sich auf die Brust. »Ich bin der
bedeutendste deutsche Astronaut der Gegenwart. Und bei meinen Erdumkreisungen
habe ich mein besonderes Augenmerk auf die Straßenbauprojekte Israels gerichtet
und mit Erstaunen verfolgt, wie man dort unter widrigsten Bedingungen das raue
Land verkehrstechnisch erschlossen hat. Dabei ist mir eines aufgefallen. Wissen
Sie, was?«
    Eisenberg hatte die Augen zu einem schmalen Spalt
zusammengekniffen. »Nein«, sagte er knapp.
    Lüder lächelte ihn an, stützte seine beiden Ellenbogen
auf der Tischplatte ab und legte sein

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