Sturmwarnung
stellen.
Flutwellen
von zehn Metern Höhe und mehr wurden erwartet. Millionen würden ertrinken.
Um zu
verstehen, warum trotz einer Vorwarnzeit von fast einer Woche so wenig getan
werden konnte, muss man sich die Struktur von Tokio vor Augen führen. Entfernt
man irgendwo ein Teilchen aus dem Gefüge, führt das unweigerlich zu einer
Kettenreaktion und zum Zusammenbruch des Ganzen. Diese Anfälligkeit teilt Tokio
mit allen technisch und infrastrukturell hochmodernen Millionenstädten der
Welt, nur ist es eben noch gigantischer, komplexer und somit verwundbarer.
Ein großer Teil Tokios
besteht aus Glas, Aluminium und Beton, aber viele Häuser sind nicht so stabil
gebaut. Eine erstaunliche Anzahl von Japanern lebt immer noch so, wie es früher
einmal gang und gäbe war, in zierlichen, schlichten Einfamilienhäuschen aus
Holz.
Der Taifun
Max kam mit der gespenstischen Anmut einer Schlange. Er würde das Land
angreifen, sich dann wieder in sein Nest im Pazifik zurückziehen, auf seinem
Weg über ein paar Inseln herfallen und dann scheinbar ruhen… oder irgendwelchen
Schiffen auflauern.
Schon
während er über dem Mittleren Pazifik wütete, zerstörte er nicht weniger als
neun größere und vierzehn kleinere
Schiffe. Stets hatten sich die Besatzungen sicher gewähnt, als das Chaos, das
in der Erdatmosphäre tobte, den Sturm unvermittelt die verrücktesten Kapriolen
schlagen ließ, bis ein Schiff nach dem anderen verzweifelt funkte: »… bricht
bei extremem Seegang auseinander…«
Erste Regel: Ein Sturm
dauert so lange, bis das Ungleichgewicht, das ihn ausgelöst hat, behoben ist.
Solange der Taifun über warmes Wasser zieht und die Atmosphäre darüber kalt
ist, bleibt er in Bewegung.
Max war in
derselben Pazifikregion ausgebrochen wie der Taifun Stella, der am 26.
September 1998 in Japan gewütet und 23 Menschen in den Tod gerissen hatte,
obwohl er auf seinem Höhepunkt nur 105 Stundenkilometer erreicht hatte.
Für Japan
sind Stürme, die aus dem Mittleren Pazifik heranziehen, besonders gefährlich,
wenn sie wie Stella und Max auf halbem Weg nach Nord-Nord-West drehen. Auf
diese Weise nehmen sie über dem offenen Meer an Stärke zu, zumal ihnen keine
Inseln im Weg sind, bis sie mit voller Wucht gegen die Klippen von Honschu und
Okinawa prallen.
Nun,
normalerweise ist das Wasser in dieser Gegend dank der durch den Pazifik
ziehenden Strömungen viel kälter und sorgt dafür, dass sich die Winde
abschwächen. Doch diesmal waren die Pazifik-Ströme durcheinander geraten.
Ursache für diese Störung war ein Problem auf der anderen Halbkugel der Erde,
das noch niemand verstand. Infolgedessen unterlief dem Japanischen Institut für
Meteorologie eine Fehleinschätzung von historischem Ausmaß: Es sagte voraus,
dass Max sich auf seinem Weg nach Japan abschwächen würde, und gab nur eine
Warnung vor Überschwemmungen heraus. Die Verantwortlichen waren zu der
Auffassung gelangt, dass die Daten des Satelliten hinsichtlich der Windstärke nicht
stimmen konnten.
An einem
schwülen, schweißtreibenden Donnerstag schlug Max kurz nach Mittag zu.
Allenthalben rechnete man mit massiven Überflutungen und hohen Sachschäden. In
aller Eile hatte man Notfallbunker für eine Million Flüchtlinge errichtet.
Am ersten
Tag kam es ungefähr so, wie es vorausgesagt worden war. Die Regenmenge
erreichte vielerorts 300 Millimeter pro Stunde. Straßen wurden überflutet. 1000
Menschen mussten evakuiert werden, als Deiche längs des Flusses Arakawa
brachen.
Das erste
Anzeichen einer extremen Gefahr stellte die Meldung einer kleinen Küstenstadt
in der Präfektur Shizukoa dar, dass Wellen das Rathaus zu zertrümmern drohten.
Dann brach der Funkverkehr zusammen. Den Meteorologen wurde schnell klar, dass
diese Wellen gut 13 Meter hoch gewesen sein mussten.
Die
Satellitendaten stimmten also doch: Das war tatsächlich der schlimmste Taifun
seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
Dabei war
der Hochsommer längst vorbei.
Und hieß
es nicht, Taifune würden sich über kälterem Wasser nicht ausbreiten?
Das konnte
nur eines bedeuten: Das Wasser war nicht so kalt wie angenommen, jedenfalls
nicht so kühl wie vor einem Monat.
Etwas
hatte die Oberflächentemperatur des westlichen Pazifiks verändert, und zwar
rasend schnell.
Die Winde
waren schrecklich. Sie brachen über das ganze Land herein, rissen Häuser
nieder, wirbelten Autos und sogar Lastwagen durch die Luft, deckten
Wolkenkratzer ab und verwandelten Glasfenster in tödliche Schrapnelle.
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