Sturmwarnung
Sprache der Fossilien nicht nur schwer zu lesen ist,
sondern auch so viele Lücken aufweist, dass das Ergebnis zwangsläufig neue
Fragen aufwirft. Andererseits ist die Epoche, in der die Saurier verschwanden,
intensiv studiert worden, sodass sie durchaus als Schablone für andere
Zeitalter und Wendepunkte benutzt werden kann.
Das letzte
große Aussterben dauerte bereits etwa zweieinhalb Millionen Jahre an, als der
Einschlag eines Kometen oder Asteroiden die letzten Saurier ausrottete. Wie zu
Anfang der Umwälzungen, die im Perm Hunderte von Jahrmillionen davor fast alles
Leben vernichteten, gab es weltweit eine radikale Temperaturveränderung, der
ein Absinken des Meeresspiegels folgte. Korallenriffe und alle am Boden der
Meere lebenden Tiere wurden ausgelöscht. Danach traten Klimaveränderungen auf,
die zum Verschwinden der meisten Pflanzenarten führten. Die Welt wurde
trockener und kälter. Riesige Dschungel verdorrten, und Grasland wurde zu
Steppe.
Zu diesem
Zeitpunkt vollzog sich ein Prozess, der sich heute, Jahrmillionen danach, auf
gewisse Weise wiederholen könnte: Damals tummelten sich in den Ebenen
intelligente, schnelle Saurier; der begabteste darunter war der so genannte Struthiomimus. Diese Raubtiere jagten wahrscheinlich in hierarchisch geordneten Herden,
den Affen nicht unähnlich, die sich am Anfang des gegenwärtigen Massenaussterbens
zu verbreiten begannen – Tiere, die sich den geänderten Bedingungen anpassen
und überleben konnten.
Hoffentlich
werden wir erfolgreicher sein als unsere Vorgängerspezies – wir, die wir nach
dem Austrocknen der Dschungel in den gefährlichen Ebenen auftauchten, wo wir
dank unserer Schnelligkeit gepaart mit Intelligenz beste Voraussetzungen für
den Konkurrenzkampf hatten.
Als nun der
Komet einschlug, der die Saurier vernichtete, waren in ihrer Welt – so wie in
unserer heute – seit Millionen von Jahren Umwälzungen vor sich gegangen. Wie
die unsere hat die Geschichte des Struthiomimus innerhalb eines
Massenaussterbens um ihn herum stattgefunden. Aber letztlich wurde auch das
Raubtier Struthiomimus trotz seiner Intelligenz von diesem Prozess
eingeholt und verschluckt.
Was in
unserer Zeit abläuft, ist nicht von einem kontinuierlichen Aussterben geprägt,
sondern von Schüben und Erholungsphasen. Stets passt sich das Leben an den
Wandel an, und die Artenvielfalt kann sich regenerieren. Doch in der
gegenwärtigen Phase ist die Zahl der ausgestorbenen Gattungen nicht nur rasant
gestiegen; diese verschwinden so schnell, dass nach dem Ende des Prozesses
nicht mit einer raschen Rückkehr zu einer Vielfalt zu rechnen ist.
In den
letzten 20000 Jahren haben wir einen Wendepunkt erreicht, der in vieler
Hinsicht der Klimax gleicht, die das Ende der Saurier bedeutete. Wie damals
verändert sich die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre sehr schnell. Doch
während in der Vorzeit Waldbrände und Vulkanausbrüche die Ursache waren, geben
heute Chemiefabriken und das Verheizen fossiler Brennstoffe den Ausschlag.
Wie auch
immer, die Wirkung ist die gleiche. Die Gattungen heute sterben genauso schnell
aus wie nach dem Kometeneinschlag, der das Ende der Saurier bedeutete.
Es dauerte fünf
bis zehn Millionen Jahre, ehe sich auf der Erde wieder Tierpopulationen
gebildet hatten, die zahlenmäßig an die der Saurier-Ära heranreichten. Vor
allem in den Ozeanen entstanden viele Arten, die schnell wieder zugrunde gingen
– evolutionäre Fehlschüsse sozusagen. Erst nach 35 Millionen Jahren war die
Erde wieder so weit, dass sie stabilen Populationen von Wesen Platz bot, die
ähnlich hoch entwickelt und vielfältig waren wie ihre Vorgänger.
In so
unendlich weiten Zeiträumen zu denken ist für uns schier unmöglich. Gleichwohl
offenbart die Geschichte des Lebens auf der Erde erst vor dem Hintergrund von
Äonen ihre tieferen Zusammenhänge.
Vor etwas
weniger als drei Millionen Jahren geschah nun etwas, das eine Periode von
beinahe sechzig Millionen Jahren relativer klimatischer Stabilität und
beständigen Wandels unter den Gattungen aus dem Gleichgewicht brachte. Die
Störung war so massiv, dass sie das Massenaussterben auslöste, das unsere
Epoche prägt.
Was ist
geschehen, das eine solche Veränderung herbeiführen konnte? Wie sind wir in die
außergewöhnliche Lage geraten, dass wir unseren Untergang ausgerechnet in dem
Moment begreifen, in dem er uns verschlingt?
Um Antworten
auf diese Fragen zu finden, müssen wir in die Epoche zurückkehren, in der die
lange Serie
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