Sturmwelten 01
sie ab, wenn sie wieder in See stechen.«
Jaquento brummte wenig überzeugt. Noch einmal besah er sich die Schiffe und die Festung. Die Korvetten lagen etwas weiter seewärts, und es würde schwierig werden, die Fregatte an ihnen vorbeizulenken, selbst wenn man sie nachts im Handstreich erobern konnte.
Am Fuße der Klippe, ein wenig landeinwärts, gab es noch eine Siedlung. Vielleicht war es ein Dorf der Eingeborenen, so genau konnte er es nicht erkennen.
»Was treibt die Handelscompagnie wohl hier?«, sagte er mehr zu sich selbst als zu Pertiz, der die Frage trotzdem aufgriff.
»Die Compagnie? Das sind üble Gesellen, die nichts lieber tun, als Piraten aufzuknüpfen. Nun ja, noch lieber zählen sie ihr Geld, und das ist unser Glück, weil sie so viel davon haben, dass ihnen nicht viel Zeit zum Piratenaufknüpfen bleibt. Was immer sie hier machen, es ist sicher zum Schaden der früheren Bewohner und zum Nutzen der Compagnie.«
Jaquento grübelte einen Moment. Dann meinte er: »Setz die thaynrischen Farben. Fahr hinein, aber halt Abstand zu den Schiffen. Lass die Besatzung unter Deck gehen und dort bleiben.«
»In die Bucht fahren? Bist du verrückt? Dort sitzen wir wie eine Ratte in der Falle. Wir kommen niemals davon, wenn sie auf uns schießen!«
»Eben! Wenn. Wir sind aber doch nur harmlose Händler, auf der Suche nach einem guten Geschäft. Uns hat es aus Zufall hierherverschlagen, und wir wollen unsere Dienste anbieten. Wer schießt schon auf Händler?«
»Wir?«
»Ja, nun gut«, gestand Jaquento. »Aber nicht die Compagnie, oder? Es ist das gleiche Risiko, wie einfach nach Lessan hineinzufahren.«
Unschlüssig blickte Pertiz in die Bucht.
»Entscheide dich schnell«, erklärte Jaquento. »Bald ist die Möglichkeit vorübergezogen. Wenn wir abdrehen, sind sie sicherlich gewarnt, dass etwas mit uns im Argen liegt.«
»Du hast recht. Wenn sie erst einen Angriff erwarten, wird es beinahe unmöglich sein, uns als etwas anderes auszugeben. Refft das Großsegel! Setzt die Flagge der Thayns! Und alle unter Deck, die keine Arbeit haben!«
Innerhalb weniger Herzschläge war das Deck wie leer gefegt. Die Matrosen der Wache kletterten in die Wanten, während der größte Teil der Besatzung aus dem Blickfeld verschwand.
»Und womit handeln wir?«, fragte Pertiz.
»Natürlich mit Wein. Womit denn sonst?«
»Du bist ein irrer Hund, Hiscadi! Wenn das klappt, dann trink ich auf deinen Namen!«
Und wenn nicht, dann ist es ohnehin egal.
Langsam glitt die Windreiter unter gerefften Segeln in die Bucht. Immer wieder blickte Jaquento zu der Festung hinauf, wo die Mündungen der Kanonen begierig darauf zu sein schienen, sie mit Feuer und Tod zu empfangen. Doch noch schwiegen die Geschütze. Dafür waren sicherlich viele Augen auf den unerwarteten und wohl unwillkommenen Gast gerichtet. Als sie noch etwa zweihundert Meter von den drei Schiffen entfernt waren, fuhr unvermittelt eine gelbe Flagge am Mast der schwarzen Fregatte hoch. Von den Korvetten trug der Wind das Pfeifen von Befehlen herüber.
»Eine Seuchenwarnung«, erklärte Pertiz.
»Eine Seuche? Das ist nicht ihr Ernst. Oder doch?«
»Vermutlich nicht. Es ist eine alte List. Hat die Sünde auch schon einmal gerettet. Selbst die sonst so harten Thayns vermeiden gern ein solches Risiko.«
»Also wollen Sie uns fernhalten.«
»Ein gutes Indiz dafür, dass der Hintern unserer Beute genau vor unserer Nase dort drüben von der sanften Dünung geschaukelt wird. Mögen sie sich vom Rauschen des Meeres einlullen lassen – und von deinen Worten natürlich, Capitane Jaquento!«
»Meinen Worten?«, erwiderte Jaquento überrascht.
»Natürlich, Thay«, entgegnete Pertiz grinsend und salutierte spöttisch. »Du sprichst die Zunge der Thayns besser als ich und bist geschickt mit Worten. Außerdem nehmen sie dir den reichen Händler eher ab. Mit deinen teuren Kleidern und deiner höflichen Art.«
»Ich bezweifle …«
»Keine Widerrede! Es ist beschlossen. Kapitän.« Mit einem breiten Grinsen salutierte Pertiz.
Jaquento funkelte ihn an. Sein Plan, die Kanonen der Festung mit täuschenden Worten am Feuern zu hindern, erschien ihm nun gewagter als noch vor wenigen Augenblicken. Andererseits hatte er vor Lessan einen ganzen Bären gezähmt, tanzen lassen und ihn schließlich der Marine aufgebunden, deren Offiziere sicherlich um ein Vielfaches misstrauischer waren als die Leute der Compagnie.
Als der Anker ins Wasser fiel, die Kette durch die Öffnungen ratterte und
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