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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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rechtmäßigen Kinder sollen so weiß sein wie sie.«
    Majagua schnaubte. »Ich habe gesehen, wie sie mit ihnen fortgegangen ist.« Doch Dagüey sagte nichts weiter dazu.
    Dann fragte er den Alten: »Kennst du Guanquen? Weißt du, wo sie liegt?«
    Doch Dagüey schüttelte nur bedauernd den Kopf.
    »Wie soll ich dann zurückfinden, wenn ich nicht einmal weiß, wo ich bin?«
    »Das sind die falschen Worte«, erwiderte der Alte kopfschüttelnd. »Niemand findet zurück. Niemand verlässt die Insel wieder. Wer es versucht, endet an den Mauern dort oben.«
    Sein Blick wies hinauf zum Fort, über dem eine weiße Fahne mit blauen Streifen wehte.
    »Du sprichst ihre Sprache auch«, stellte der alte Mann fest.
    »Auf Guanquen gibt es ein Dorf von ihnen. Auch so ein Fort und viele Soldaten. Aber auf der anderen Seite der Insel in einer Bucht. Sie kommen nicht oft zu uns, aber einer von ihnen lebt bei uns. Ein heiliger Mann ihrer Einheit, der will, dass alle Menschen seinen Göttern folgen. Von ihm habe ich Lesen und Schreiben gelernt. Er hat mir von der Einheit erzählt, die über alle wacht. Er sagt, Anui sei der Himmelsvater der Blassnasen und wir würden die Einheit schon ehren.«
    »Ein Missionar?«
    »Er hat eine Schule aufgemacht. In seiner Hütte. Alle Kinder konnten zu ihm kommen, und er hat aus seinen Büchern gelesen und uns die Buchstaben gezeigt. Einige im Dorf glauben nun auch an die Einheit, aber die meisten verehren die Ahnen, die in den Bäumen hausen, so wie es richtig ist.«
    »Dann war euer Missionar ein guter Mann. Der Caserdote der Compagnie hier lässt uns alle zusammentreiben und predigt dann. Jeder muss mit ihm beten, sonst kommen die Soldaten und schlagen uns.«
    »Wie viele Soldaten gibt es?«, fragte Majagua leise und sah sich argwöhnisch um.
    »Einige Hände voll. Sie haben Musketen und Kanonen und Schwerter aus Metall.«
    »Warst du schon einmal im Fort?«
    Der Alte schüttelte den Kopf. »Nein. Sie lassen uns nicht dort hinauf. Aber warum willst du das wissen? Denkst du an Flucht? An Kampf? Morgen schon wirst du arbeiten, vom ersten Licht des Tages bis zum letzten. Anui wird auf dich herabbrennen, während du dir den Rücken krumm schuftest, außer du musst in die Schächte, wo es so staubig und stickig ist, dass es ist, als würdest du Feuer atmen. Kaum Essen, wenig Wasser, viel Arbeit. Am Abend wirst du ins Lager kommen und nur noch schlafen wollen. Und so wird es jeden Tag sein, und du wirst nicht mehr fortlaufen wollen oder an Kampf denken. Du wirst gar nichts mehr denken können, nicht mehr glauben, nicht mehr hoffen.«
    »Die Ahnen …«, warf Majagua ein, aber Dagüey spuckte zischend aus: »Die Ahnen haben uns verlassen. Hier gibt es keine Ahnen, nur die Einheit der Blassnasen. Du wirst hier verrotten, wie wir alle.«
    Damit wandte er sich ab und schlurfte zu einer der Hütten. Wütend starrte Majagua auf den vernarbten Rücken der dürren Gestalt. Ich bin nicht schwach wie du, feiger Denge , dachte er verächtlich, ich bin jung und stark. Ich bin ein Jäger und der Sohn des Cacique von Guanquen! Ich werde einen Weg finden, mich zu rächen und diese Insel zu verlassen.

FRANIGO

    Das leise Murmeln im Saal wurde zur Mitte hin immer leiser. Niemand wagte es, in direkter Nähe des Herrschers störend aufzufallen. Nur diejenigen Drohnen des Hofes, die weit entfernt vom Zentrum der Macht standen, drehten sich im langsamen, ewigen Tanz um den Thron, stets darauf bedacht, die Gunst des Herrschers zu erlangen und näher an die Mitte zu rücken. Ihr Gemurmel, während sie ihre Intrigen mit- und gegeneinander sponnen, erfüllte die Luft wie das Summen unzähliger Insekten. Hier eine stichelnde Bemerkung, dort ein Kompliment, Gefälligkeiten ausgetauscht und eingefordert; alles, um in den Glanz der unbedingten Autorität des Königs zu gelangen.
    Obwohl er sich als ein Mann des Wortes betrachtete, beteiligte sich Franigo nicht an den Gesprächen. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der Gruppe, die sich um den Herrscher versammelt hatte. Der König stand scheinbar ungezwungen in der Menge und plauderte mit seinen Höflingen. Er war ein Mann mittleren Alters und weder von Antlitz noch von Statur auffallend. Doch nicht nur sein goldbesticktes Gewand und die kunstvoll aufgesteckte, gepuderte Perücke hoben ihn aus der Menge heraus; auch seine Worte und Gesten taten dies. Hier ehrte er den einen mit einem freundlichen Wort, dort zeigte er seine Verärgerung, indem er eine Marchessa sanft in ihrer Rede

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