Sturmwelten 01
unterbrach. Eigentlich sollten die Audienzen allen Untertanen offenstehen, doch nur selten gelangte ein Außenstehender hier ins Allerheiligste der Macht, wo der Herr eines ganzen Erdreiches seinen Untertanen Gefallen erwies oder verwehrte.
Zwischen den Säulen standen die Leibwachen, immer drei zusammen, ein Musketier, ein Maestre und ein Caserdote, bereit, jeden Angriff, sei er weltlicher oder mystischer Natur, auf die heilige Person des Königs zu verhindern.
Ein zu lautes Lachen ließ Franigo aufblicken, und er sah Genaro, den Ersten Poeten des Hofes, Obersten Dichter der Nation und Träger zahlreicher weiterer Würden, der gerade schmunzelnd eine gezierte Verbeugung andeutete, während ihm der König spielerisch mit dem Finger drohte. Natürlich konnte Franigo nicht hören, was gesprochen wurde, zu weit war er von dem engsten Kreis des Herrschers entfernt. Doch er wusste, dass sich dies in naher Zukunft ändern würde. Bei der Aufführung seines letzten Stückes hatten sich die Vorhänge der königlichen Loge bewegt – ein sicheres Zeichen, dass ein Mitglied der Herrscherfamilie unter den Zuschauern gewesen war. Schon bald würde die Kunde vom Genie des Dramatikers und Poeten des Königs Ohr erreichen, und Franigo würde unweigerlich Zutritt zu den innersten Zirkeln des Hofes erhalten. Seine Worte würden von jenen zitiert werden, die nun Genaro lauschten.
Lach nur, du aufgeblasener Popanz , dachte Franigo finster, während er zu Genaro hinüberblickte und unwillkürlich die Fäuste ballte, deine Stunden verrinnen bereits. Dein Licht wird durch ein weit größeres ersetzt werden .
»Franigo!«, rief eine Stimme hinter ihm, genau die eine Spur zu laut, sodass der Ausruf aufdringlich klang und einige Blicke auf sich zog. Peinlich berührt drehte sich der Poet um und musterte den Neuankömmling. Es war Urzangín, ebenso wie Franigo ein hiscadischer Exilant, der nervös seine Brille zurechtrückte, da er die belustigten Blicke der Höflinge bemerkte. Der gewaltige Knebelbart des Mannes zuckte, als er nach Worten suchte, aber Franigo trat einen Schritt an ihn heran und sprach leise: »Welch eine Freude, Mesér.«
»Ganz meinerseits, Mesér, ganz meinerseits. Ersucht Ihr um eine Audienz?«
Der Mann war gut zwei Köpfe kleiner als Franigo und dabei spindeldürr. Seine Kleidung hatte ebenso wie die des Poeten bereits bessere Tage gesehen, doch versuchte er im Gegensatz zu Franigo vergeblich, sich den hiesigen Moden anzupassen, was ihn ein wenig jämmerlich, wie einen Ritter von trauriger Gestalt wirken ließ. Lediglich sein gewichster Bart war pompös, und er trug ihn wie einen Schild vor sich her.
Natürlich war Franigo im weitesten Sinne wegen einer Audienz hier, doch er war sich bewusst, dass seine Chancen nicht gut standen, und hatte sich mit diesem Umstand abgefunden. Es war vielmehr die Atmosphäre des Saals, das Spiel der Macht, das er sich ansehen wollte. Ohne Unterstützer gleich zum Höchsten vorzudringen, war kaum mehr als ein Wunschtraum, doch einige Sprossen tiefer auf der Leiter mochten die Ohren offener und die Menschen weniger entrückt sein. Dennoch nickte er mit einem, wie er hoffte, freundlichen Lächeln. Sie kannten sich noch aus ihrer gemeinsamen Heimat, bevor sie sich unabhängig voneinander auf den Weg in die Fremde gemacht hatten, nur um hier in Cabany, der größten und prachtvollsten Stadt der Welt, anzukommen. Irgendwann kommt jeder nach Cabany , erinnerte sich Franigo an die Redensart.
»Ich auch«, gestand Urzangín bedrückt. »In der Heimat steht uns das Wasser buchstäblich bis zum Hals, und ich habe einen Plan für viel Geld ausarbeiten lassen, den ich dem König vorlegen will, nachdem der Minister mich an den hohen Herrn selbst verwiesen hat.«
»Einen Plan?«, fragte Franigo abgelenkt. Er hatte sich schon längst wieder auf die Mitte des Saals konzentriert.
»Zum Trockenlegen des Sumpfes. Die Dämpfe machen alle krank, verursachen Fieber. Viele unserer Landsleute sterben gar daran.«
»Ah ja.«
»Es ist eine Schande. Vier Monate habe ich benötigt, um eine Audienz beim Minister zu erhalten, nur damit er mir sagt, dass er nichts tun kann.«
»Ja, das ist eine Schande.«
»Dabei ist der Plan wirklich einfach, und die Kosten sind nur ein Fliegendreck für die Krone!«
Wieder hatte der Mann seine Stimme erhoben, sodass die Umstehenden zu ihnen blickten. Peinlich berührt warf Franigo ihm einen Seitenblick zu, der ihn verstummen ließ. Es war eine Sache, in Tavernen das
Weitere Kostenlose Bücher