Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Augen zeigte Jaquento, dass dieser Mann und er wohl kaum jemals Freunde werden würden. Die Miene des Admirals wirkte frostig und passte zum eisigen Ausdruck in seinen Augen.
»Kommandierender Kapitän?«
Keine Begrüßung, keine Höflichkeit. Jetzt verstand Jaquento, was Roxane ihm auf dem Weg hatte sagen wollen.
»Korrekt, Thay. Ich habe die traurige Pflicht, Sie über den Tod von Kapitän Harfell zu informieren. Sein Dahinscheiden hat eine große Lücke hinterlassen, die ich natürlich nicht ausfüllen konnte. Jedoch war es nach den Artikeln des Krieges meine Pflicht, mein Bestes zu geben bei dem Versuch, die Befehle von Kapitän Harfell zu befolgen und sein Amt für kurze Zeit zu übernehmen.«
»Oric tot«, murmelte der Admiral mit einem abwesenden Blick zur Seite. Dann richtete er sich auf, kurz darum bemüht, die Fassung zu behalten. »Erstatten Sie Bericht, Leutnant.«
»Natürlich, Thay«, entgegnete Roxane mit tonloser Stimme und legte die Mappe, die sie mitgebracht hatte, so vorsichtig
auf den Schreibtisch, als handle es sich um einen Korb voll roher Eier.
Ohne sich zu rühren, lauschte Jaquento ihren Ausführungen. Ihre Worte waren knapp und präzise, und in ihrer Schilderung klang die Fahrt der Mantikor weniger wie das Grauen, das er in ihren Augen sah. Die junge Offizierin sprach flüssig und scheinbar selbstbewusst. Admiral Holt zuckte mit keiner Wimper, nicht einmal, als Roxane von der Verwundung des Kapitäns und seinem späteren Tod berichtete. Jaquento war hin und her gerissen; einerseits bewunderte er ihre Aufrichtigkeit und Selbstlosigkeit, denn in ihrem Bericht stellte sie die anderen Offiziere und Besatzungsmitglieder als ohne Fehl und Tadel dar, ohne ihre eigenen Verdienste auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Andererseits hätte ihm dieses Verhalten beinahe ein Kopfschütteln abverlangt, denn ihm wurde bewusst, dass sie sich um Kopf und Kragen redete. Sie wirkt wie eine Ertrinkende, die das Stück Holz, an das sie sich geklammert hat, loslässt und den Untergang mit offenen Armen empfängt . Ihre bleiche Miene, die sorgsam kontrollierten Gesichtszüge, die auf dem Rücken verschränkten Arme konnten ihre Anspannung nicht verbergen.
Erst als sie auf das Treffen mit der Windreiter und der Todsünde zu sprechen kam, sprang diese Anspannung auch auf Jaquento über. Doch sie schilderte die Ereignisse so, dass sie ihn und die Besatzung der Windreiter im besten Licht erscheinen ließ. Innerlich fühlte er sich erleichtert, auch wenn er bereit gewesen wäre, die Verantwortung für sein Handeln zu tragen. Aber was heißt schon Verantwortung vor einem Kriegsgericht? Besser, ich muss mich nicht auf die Gerechtigkeit Thaynrics verlassen .
Den Ablauf des Gefechts aus Roxanes Perspektive zu hören war trotz der angespannten Situation aufschlussreich für den jungen Kapitän. Er konnte die Enttäuschung darüber, dass
ihnen das schwarze Schiff letztlich doch entkommen war, in ihrer Stimme hören, und als sie vom Tod des Ersten Offiziers berichtete, stockte sie kurz. Offenkundig fiel es ihr bei aller Beherrschung nicht leicht, an Frewellings Ende zu denken.
»Ich habe die Verlustlisten an den Bericht angefügt, Thay, und die herausragenden Leistungen einzelner Mitglieder der Besatzung separat lobend erwähnt. Da ich nach Leutnant Frewellings Ableben die Kommandierende Offizierin war, übernehme ich die volle Verantwortung für alle Geschehnisse, die danach eintraten, und insbesondere für das Versagen beim Aufbringen der Schwarzbrunn-Fregatte.«
Einige Momente schwiegen sie alle. Aus dem Augenwinkel sah Jaquento, dass Roxane scheinbar ungerührt über den Admiral hinweg aus dem Fenster blickte.
»Das werden Sie, Leutnant Hedyn«, sagte Holt schließlich und winkte seinen Adjutanten mit dem Finger näher. »Das werden Sie in der Tat.« Er flüsterte einige Worte in das Ohr des kleinen Uniformierten, bevor er sich wieder auf Roxane konzentrierte. Der Adjutant verließ den Raum, nicht ohne Jaquento vorher noch einen weiteren missbilligenden Blick zuzuwerfen.
»Oric Harfell tot, ein Kapitän der Königlichen Marine an Bord seines eigenen Schiffes ermordet!«
»Es war vermutlich ein Unfall«, konstatierte Roxane mit fester Stimme, doch Holt schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Ein Angriff auf eine Kolonie der Thaynrisch-Kolonialen Handelscompagnie! Unter der Flagge Thaynrics! Ein Gefecht mit thaynrischen Schiffen!«
»Sie haben Sklaven …«
»Schweigen Sie, Leutnant«, unterbrach sie Holt, der
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