Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
wecken.«
»Schon gut. Ich muss eh pinkeln.«
Ihre Ausdrucksweise ließ ihn eine Grimasse schneiden, aber er gewöhnte sich langsam daran. In seinen Stücken hatte es oft den einen oder anderen komischen Charakter gegeben, der sich ähnlich ungehobelt benahm, aber Franigo hatte
nie damit gerechnet, dass er selbst als Protagonist in einer solchen Komödie erscheinen würde. Oder ist es eine Tragödie ?
Schlurfend bewegte sich Aitea aus dem Zimmer. Der dicke, schwarze Zopf hing ihr über den Rücken, und unter dem groben Nachthemd zeichneten sich ihre ansprechenden Formen deutlich ab. Franigo seufzte bei diesem Anblick, dem Ebenbild von allem, was das Landleben angenehm machte.
Eine kurze Zeit hatte der Poet Ruhe, doch seine Gedanken zerfaserten wie Rauch, der vom Wind verweht wurde, und seine Ruhe war dahin.
»Es wird scho’ hell«, rief seine Gastgeberin von unten. »Frühstück?«
In mancher Weise hatte der Poet sich an ihr Leben angepasst. Er stand mit der Sonne auf. Allerdings legte er sich noch vor dem Mittagessen wieder hin und schlief bis in die frühen Abendstunden. Abends saß er in der Schankstube und schrieb oder zechte mit den Gästen. Dann vergnügten Aitea und er sich noch ein wenig, und so flossen die Tage dahin wie Wasser unter einer Brücke, kaum bemerkt und schnell vergangen.
Ein Geruch stieg die Treppe empor, fast vergessen, aber so bekannt, dass Franigo fast aufgesprungen wäre. Hastig zog er sich die Hose und ein Hemd über, schlüpfte in die ausgetretenen Stiefel und band seine Haare mit einem einfachen Tuch nach hinten. Seine Schritte waren inzwischen wieder sicher, auch wenn er immer noch humpelte. Der Bader, den Aitea ihm besorgt hatte, war zu unfähig gewesen, um den geschundenen Fuß zu heilen. Zudem trug Franigo seit seiner Zeit als Soldat zu viel Misstrauen gegenüber dem Berufsstand der Knochensäger, Amputeure und Feldscher in sich, um einen solchen Mann mit scharfen Gerätschaften an den eigenen Leib zu lassen. Sein Fuß stand zwar schief, aber er schmerzte nur noch selten, und der Poet hatte sich einen
Gang angewöhnt, der den Fuß schonte und dennoch ausreichend schnell war.
Als er in die Küche trat, schloss er kurz die Augen und schnupperte. Lächelnd öffnete er sie wieder und sah Aitea an, die fröhlich schmunzelte.
»Kaffee?«
»Der Mann, der gestern hier war. Er hat mir was verkauft.« Seufzend nahm Franigo an dem groben Tisch Platz, auf den seine Gastgeberin eben ein reichhaltiges Mahl auftrug. Es gab selbst gemachten Käse, eine würzige Eselsalami, dunkles, aber feines Brot und zwei irdene Teller. Dann stellte sie noch eine flache Schale vor Franigo, in der ein Stück heller Käse lag. Bevor der Poet reagieren konnte, nahm Aitea den dampfenden Topf vom Feuer und goss den köstlichen dunklen Kaffee über diesen Käse.
»Was, bei allen Göttern der Nigromanten, tust du da?«, herrschte Franigo sie an. »Der gute Kaffee!«
»Das ist Cenberona. Aus Schafsmolke.«
»Mir ist egal, woraus dieser sicherlich grässliche Käse gemacht wird! Du hast den Kaffee verschwendet.«
»Probier mal«, erwiderte Aitea sanft und schüttete auch über ihren Käse einen Schwall Kaffee. Widerwillig kreuzte der Poet die Arme über der Brust und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. Ungerührt nahm sie einen Holzlöffel und schob sich ein Stück des Cenberona in den Mund. Ein entzücktes Seufzen entfuhr ihr. Grimmig blickte Franigo auf den dampfenden Käse vor sich hinab. Der Geruch von Käse und Kaffee stieg ihm verführerisch in die Nase, aber sein Zorn war groß und sein Stolz noch größer.
»Du dummer Mann. Ich habe noch mehr Kaffee. Iss jetzt.«
»Mehr Kaffee?«, fragte der Poet überrascht.
»Ja, ich weiß doch, dass du Besseres als das hier gewöhnt bist«, erwiderte Aitea und wies mit einer ausholenden Geste
auf den Raum, der sie umgab. »Du bis’ ein echter Ehrenmann, und du hattest bestimmt früher jeden Tag so viel Kaffee, wie du nur trinken konntest.«
Fast , gestand Franigo in Gedanken. Aber es war nicht mein Kaffee, sondern der des Princiess. So wie ich nicht mir selbst gehörte, sondern dem Princiess. Ich war seine Waffe, die er, als sie stumpf geworden war, wegwarf wie eine abgelutschte Fischgräte . Das Bild mit den Gräten gefiel Franigo ausnehmend gut, und er versuchte, es sich für sein Stück einzuprägen.
»Und deshalb habe ich ein wenig mehr Kaffee gekauft.«
»Du bist sehr großzügig«, erklärte Franigo und nahm den Löffel in die Hand. Unsicher sah
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