Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
wenn es Ihnen recht ist. Können Sie noch …?«
»Ja, Thay.«
»Erstaunlich. Ihre Fähigkeiten sind größer, als Ihr Rang vermuten lässt, Thay.«
Sinao schwieg und sprach ihre Vermutung, dass es vielmehr ihre und Manos Fähigkeiten waren, nicht aus. Auch Lamworth erwiderte nichts, sondern blieb still, bis Pilwick über ein Gefecht vor einer Stadt namens Boroges berichtete, in das leibhaftige Drachen eingegriffen hatten.
JAQUENTO
Es war dunkel, als Jaquento aufwachte, und er hielt die Augen noch geschlossen, denn er wollte seine Mitreisenden nicht sehen lassen, dass er wach war. So saß er einfach nur da und lauschte auf das Geräusch seines Atems, machte sich klar, in welcher Situation er sich befand. Sean hatte, nicht lange nachdem sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, das Boot in einem kleinen Dorf anlegen lassen, und die gesamte Gruppe war auf drei Karren mit Segeltuchverdeck gewechselt, die sich in den Verkehr eingereiht hatten, der zu beiden Seiten des Roten Flusses auf breiten Straßen vorankam.
Zwar hatten Bihrâd und Jaquento nach Möglichkeiten gesucht zu entkommen, aber Seans Leute waren aufmerksam und vorsichtig gewesen, und so hatten sie sich beide vorerst in ihr Schicksal gefügt.
Ich hoffe, es gelingt Sinosh, mit Roxane Kontakt aufzunehmen, dachte Jaquento müde. Er wusste, dass seine Chancen auf eine Rettung durch die Mannschaft der Siorys rapide sanken, da sie an Land unterwegs waren. Schließlich kann Roxane kaum ihr Schiff aufgeben, um mir hinterherzujagen, nur weil eine wild gewordene kleine Echse darauf besteht.
Neben ihm schlief der Maureske ungestört weiter, die Arme vor der Brust verschränkt und das Gesicht im Schatten. Sein Atem ging ruhig, und Jaquento beneidete ihn um den Frieden,
den er ausstrahlte. Nach Bihrâds Ansicht gab es in einer Gefangenschaft, der man ohnehin nicht entrinnen konnte, kaum etwas Besseres zu tun, als Erholung zu finden. Womit er vermutlich Recht hat. Jaquentos eigene Träume hingegen waren wieder einmal grausam gewesen, und die Bilder nagten wie so oft an seinem Gewissen. Müde wischte er sich mit der Hand über die Augen und versuchte, den Nachhall der bitteren Erinnerungen aus seinem Geist zu bannen.
»Schlecht geträumt?«
Sean saß ihm gegenüber. Im Schatten des Verdecks waren seine Züge kaum auszumachen, nur seine Augen spiegelten das Licht der Laterne, die für die Nacht vorn am Kutschbock aufgehängt worden war. Alle paar Meilen gab es eine Station, an der man die Tiere wechseln konnte – oder auch die Menschen, wie Jaquento bemerkt hatte, denn nicht wenige der Gefährte wurden von Männern und Frauen gezogen. Auf dem Fluss gab es dazu eine Vielzahl von Lastkähnen, die getreidelt wurden.
»Ich bin ein Gefangener. Was erwartest du?«
»Dein Freund scheint es leichter zu finden, durch süße Träume der Situation zu entfliehen.«
»Ich bin nicht er«, entgegnete Jaquento finster. Die umgängliche Art des vorgeblichen Matrosen hatte den Hiscadi hoffen lassen, doch noch eine Einigung mit ihren Entführern erzielen zu können, aber im Moment war Jaquento des diplomatischen Geplänkels müde.
»Wir kommen noch vor Morgengrauen in Danam an«, erklärte Sean, statt zu antworten. »Dort werden wir eine Rast einlegen. Wir müssen weitere Erkundigungen einziehen, aber das wird uns auch Zeit geben, um uns auszuruhen.« Sean klang geradezu, als sorge er sich um Jaquentos Gesundheit.
»Werden wir die ganze Nacht hindurch fahren?«
Sean nickte. »Die Tiere kosten nich’ viel, und wir machen so etwas Weg gut. Is’ aber eigentlich gar nich’ so wichtig; viel weiter kann ein Schiff wie die Todsünde den Fluss ohnehin nicht hinauffahren. Noch weiter stromaufwärts fließen zwei Flüsse zusammen. Der kleinere, Bhatxi, und ein anderer, der die rote Erde mitbringt, die dem Fluss dann den Namen gibt. Keiner der beiden is’ auf längere Strecken tief genug, um sicher schiffbar zu sein.«
Jaquento neigte den Kopf, während er versuchte, die Informationen zu verarbeiten. »Euer Viererbund muss ziemlich umtriebig sein, nicht wahr? Schließlich ist dieses Land doch unglaublich weit von der Sturmwelt entfernt, und weder Thaynric noch Hiscadi noch eine andere Nation aus Corbane hat hier wirklich großen Einfluss, scheint mir.«
Der Karren rumpelte über die Straße, und eines der Räder geriet in ein Schlagloch. Das Licht der Laterne sprang auf und ab und ließ die Gesichter von Bihrâd und Sean wie seltsame Fratzen aussehen.
Eine Weile lang schwieg
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