Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
Thyrane an Bercons, der ihm erfreut zunickte.
»Aus Ihrem berufenen Munde ein Lob, das mich besonders erfreut, Thay.«
»Bei dem Wind sollten wir gut in den Kanal kommen, nicht wahr?«
»In der Tat, Thay. Wir haben Glück: eine perfekte Backstagsbrise.«
Sinao sah den Admiral fragend an.
»Der Wind kommt nicht ganz von hinten«, erklärte er. »Schau, er kommt achterlicher als querab. So trifft er die volle Segelfläche und treibt uns dabei dennoch nur wenig nach Lee. Wobei die Imperial ohnehin selten große Abdrift hat.«
Sinao verstand kaum ein Wort von dem, was der Admiral ihr erklärte, und offenbar hatte sich ihr Gesichtsausdruck auch nicht verändert, denn Thyrane fuhr fort: »Kommt der
Wind zu weit von der Seite, fährt das Schiff nicht nur nach vorn, sondern wird auch in die andere Richtung gedrückt, nach Lee, der vom Wind abgewandten Seite. Man kann hart am Wind segeln, aber dabei ist die Abdrift natürlich besonders groß.«
Er hob seine Hände und machte es ihr mit langsamen Bewegungen deutlich.
»Kommt die Brise zu sehr von hinten, fährt man also vor dem Wind, sind sich die Segel sozusagen im Weg, und man muss Fläche reduzieren. Die Stagsegel sind nutzlos, und ein vernünftiger Kapitän lässt die Großsegel reffen, und nur die Vorsegel bleiben.«
Sinao glaubte, mittlerweile ein wenig davon verstanden zu haben, was das große Segelschiff antrieb, aber so sehr sich Thyrane auch bemühte, die vielen seltsamen Bezeichnungen und Namen an Bord wollten ihr nicht in den Kopf gehen. Es war einfach, einen Kurs auszurechnen, und sie hätte ihm ohne nachzudenken sagen können, wie viel Fuß die Fregatte pro Seemeile Fahrt nach Lee abdriftete, aber auch nach langen Wochen an Bord von Schiffen hatte sie keine Ahnung, was ein Stagsegel sein mochte. Dennoch lächelte sie, denn wenn der Admiral dachte, dass sie noch mehr wissen wollte, würde er weiterreden, und Sinao hatte inzwischen erkannt, dass es genug über Schiffe zu erzählen gab, um ganze Tage damit zu verbringen. Und es macht ihm so viel Freude, davon zu sprechen!
Während Thyrane sich zufrieden an Bercons wandte und mit ihm über den weiteren Kurs diskutierte, gesellte sich Manoel zu Sinao und rollte mit den Augen.
»Und wenn der Bockfagmast mit dem Querholm in den Unterwindraum kommt, springt die Nasenrah aus dem Lochscheit, und wir segeln alle in die Finsterwelt!«
Sinao kicherte, blickte sich aber sicherheitshalber dabei
zum Admiral um. Offenbar hatte er Manoels Spott nicht mitbekommen oder beschlossen, ihn zu überhören.
Manoel lehnte sich an die Reling und sah zum Land hinüber. »Sieht nicht nach viel aus, was?«
»Nicht wirklich.«
»Ist aber hübsch. Dir würde Brizhay bestimmt gefallen. Die Menschen da sind sehr eigen, aber freundlich.«
»Brizhay?«
»So heißt die Region im Norden von Géronay, um ihre Provinzhauptstadt Maillot. Die Géronaee behaupten immer, dass es dort viel zu rau und zu kalt ist, aber es ist schön dort. Und es ist kein Geheimnis, dass Brizhonen beim Rest der Géronaee als ein wenig wunderlich gelten. Sie haben mehr mit den Thayns gemein, als beide Seiten zugeben möchten.«
»Eure Heimat ist so groß«, bekannte Sinao. »So viele Menschen, so viele Orte, so viele Länder.«
Manoel zuckte mit den Schultern.
»Kann sein. Aber wenn man erst einmal da ist, kann es einem verdammt klein vorkommen. Überall sind Leute, überall gibt es Regeln und eherne Gesetze. Du kannst nicht mal spucken, ohne jemand zu treffen.«
Darauf wusste Sinao keine Antwort. Für sie war schon Lessan eine gewaltige Stadt gewesen, und seit sie erfahren hatte, dass es in Corbane weitaus größere Städte gab, hatte sie ein wenig Angst. Wie kann man mit so vielen Menschen zusammenleben? Man kennt ihre Namen nicht und weiß nicht, wer sie sind, und noch weniger kann man ihre Absichten erkennen.
»Segel voraus! Zwei Strich Backbord!«
In den letzten Tagen hatten sie mehr als einmal andere Schiffe gesichtet, aber der Kapitän hatte sie bislang nicht beachtet. Zu klein waren die Segel gewesen, als dass ihnen ein Umweg sinnvoll erschienen wäre, um den anderen Booten auszuweichen.
Auch diesmal wurde das Signal nur zur Kenntnis genommen. Erst, als das Segel schon mit bloßem Auge zu erkennen war, ließen sich sowohl Thyrane als auch Bercons ein Fernrohr reichen und standen eine Zeit lang schweigend nebeneinander. Schließlich erklärte der Kapitän: »Könnte eine Fregatte sein.«
Thyrane brummte zustimmend. Bercons sah ihn fragend an,
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