Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
das Rumpeln des Gefährts, nicht die Stöße der mangelhaft gefederten Achsen auf der schlechten Straße, die ihn wach hielten. Auch das Licht, das am Vorhang vorbeifiel, und der Staub, der durch das offene Fenster eindrang, waren zwar lästig, aber seiner Erfahrung nach konnte man dies durchaus ignorieren. Es waren der Blick des alten Mannes und die Tatsache, dass er unversehens in einer fremden Welt gelandet war, die verhinderten, dass er einschlief.
Seit sie Khoan verlassen hatten, war Maecan sehr schweigsam geworden. Franigo konnte nur raten, dass es mit dem Niedergang der Stadt zu tun hatte, der den alten Mann härter getroffen zu haben schien, als der Dichter es sich hätte erklären können. Noch während der Alte Franigo über die Geschichte der Stadt unterrichtet hatte, war er in Grübelei verfallen, aus der er sich seither nicht mehr gelöst hatte.
Unglücklicherweise gab das Schweigen zwischen ihnen Franigo die Zeit, über den ganzen Irrsinn dieser Reise nachzudenken, auf die er sich unwissend eingelassen hatte. Konnte das wirklich erst wenige Stunden her sein? Schon jetzt wirkte sein Leben in Sargona fern, als ob es ein anderer
gelebt hatte. Cabany, ja sogar die Flucht und das Leben als Gesuchter in den Bergen des Favare erschienen ihm jetzt näher.
Ein besonders tiefes Loch auf dem Fahrweg und der daraus resultierende Schlag rissen ihn aus seinen Erinnerungen zurück in die Gegenwart. Die beiden Kutscher schienen sich nicht darum zu kümmern, dass der Weg aus mehr Schlaglöchern als aus allem anderen bestand. Einst war diese Straße offensichtlich befestigt und ordentlich angelegt worden, ganz wie Maecan es beschrieben hatte, aber Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte der Vernachlässigung hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.
Die Kutsche selbst war ein krudes Gefährt aus dunklem Holz, wenig mehr als ein Kasten auf großen Rädern. Früher war sie wohl lackiert gewesen, denn in den Ritzen fanden sich noch Spuren von glänzender Farbe, aber Wind und Wetter hatten sie abgeschliffen, dazu der Staub, der endlos durch dieses karge Land wehte und den man bereits nach wenigen Stunden wie einen Belag auf der Kleidung und der Haut spürte und auf der Zunge schmeckte.
»Hattet Ihr Geld in der Währung dieses Landes? Für die beiden?«, fragte Franigo, um sich abzulenken. Er deutete nach vorn, wo die Kutscher auf dem Kutschbock saßen. Manchmal hörte man sie reden oder rufen.
»Ich habe Geld, aber ich habe keines benötigt. Sie waren nur allzu froh, uns fahren zu dürfen«, erwiderte Maecan mit einem schmallippigen Lächeln.
»Ah. Aber vielleicht hättet Ihr etwas Geld für mich übrig, falls ich in Zukunft etwas benötige. Sozusagen eine Anzahlung auf den Lohn, der mir für meine Mühen zusteht.«
Maecan zwinkerte indigniert, aber Franigos Miene blieb unbewegt. Er hatte schon zu oft am Hungertuch genagt und sein Glück bei diversen Mäzenen versucht, um ob dieser
gerechtfertigten Bitte zu erröten. Ohne Brot kein Wort, dachte er bei sich. Wenn ich mich schon auf dieses äußerst seltsame Unternehmen einlasse, sollte ich das wenigstens nicht umsonst tun.
»Hier«, erklärte Maecan nach einigen Sekunden und zog einen Beutel aus seinem Gewand. Er warf ihn Franigo zu und nutzte dann seinen Stab, um den Vorhang zur Seite zu schieben und aus dem Fenster zu sehen.
Franigo warf unter halb geschlossenen Lidern einen Blick auf den alten Mann, der nun von der eintönigen Landschaft eingenommen zu sein schien. Dann öffnete der Poet den Beutel. Darin befanden sich eine Handvoll Münzen, die dem Dichter unbekannt waren. Sie waren recht grob geprägt und sehr dick, dabei weder aus Silber noch Gold, wie er vermutete. Seltsame Schriftzeichen, die eher wirkten, als sei ein Insekt mit Tinte an den Füßen über ein Blatt Papier gelaufen, bedeckten die eine Seite. Auf der anderen war eine lange Schlange zu sehen, die Flügel zu haben schien. Ihr Anblick kam dem Poeten vage bekannt vor, doch es dauerte einige Momente, bis er das stilisierte Bild im Metall mit der kleinen Kreatur zusammenbringen konnte, die er in Hiscadi auf der Schulter seines alten, tot geglaubten und wundersam wiedergekehrten Freundes Maurez gesehen hatte.
»Es ist altes Geld, aber hier ändert man die Traditionen nicht so leichtfertig wie in deiner Heimat«, erläuterte Maecan, ohne seine Beobachtung der Landschaft zu unterbrechen. »Es wird noch akzeptiert.«
»Dann danke ich Euch, großzügiger Maecan. Ihr werdet sehen, dass der gut genährte Künstler
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