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Sturmwind der Liebe

Sturmwind der Liebe

Titel: Sturmwind der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Werft geerbt. Wäre sie dann wohl in Not geraten? Aus ihrer Kenntnis der Männerwelt von Baltimore schloß sie, daß es wahrscheinlich so gekommen wäre. Danach hätten sie es wohl als ihre Pflicht angesehen, sie mit jemandem aus ihrer Mitte zu verheiraten, um sie vor dem Verhungern zu bewahren. Nun, das hatte jetzt keine Bedeutung mehr für sie.
    Nebel hüllte die Landschaft ein. Es war kaum etwas zu erkennen. Die Luft war erfüllt vom schrillen Dröhnen der Nebelhörner. Die
Night Dancer
bewegte sich, geleitet von einem Lotsenboot, im Schneckentempo vorwärts.
    Hallie und Moses standen an Gennys Seite. Er war bis über die Ohren in einen dicken roten Wollschal vermummt, den ihm ausgerechnet Pippin geschenkt hatte. Die beiden waren auf der Reise von Baltimore dicke Freunde geworden.
    Plötzlich kam es ihr vor, als sei Hallie zu still. »Bist du aufgeregt, Hallie? Jetzt bist du bald daheim.«
    Ihrer Gewohnheit gemäß antwortete Hallie erst, nachdem sie über die Frage nachgedacht hatte. »Ja, Genny, aber weißt du, ich mache mir Gedanken um Papa. Er befürchtet, glaube ich, daß er keinen Menschen mehr erkennen wird. Er erinnert sich ja nicht mal mehr an uns, Genny. Manchmal sehe ich, wie er mich anschaut und sich anstrengt, sich an mich zu erinnern. Aber er schafft es nicht.«
    »Ich weiß. Aber bald wird er sich an uns erinnern.«
    »Das frage ich mich manchmal«, sagte Hallie. »Jedenfalls ist er nicht glücklich.«
    Vielleicht liegt es an der Frau, an die er rechtlich gebunden ist, dachte Genny, behielt den Gedanken aber für sich.
    »Dieser Nebel«, sagte Moses, »man kommt sich darin wie begraben vor. So düster. Paßt zu einem Friedhof.«
    »Das ist ein hübscher Gedanke«, sagte Genny. Sie schaute sich nach Alec um. Aber der war in ein Gespräch mit Abel und Minter vertieft, und sie sah nur seinen Rücken.
    »Mama ist an meinem Geburtstag gestorben. Der ist in zwei Tagen.«
    »Dann feiern wir eine Party, mein Liebstes, eine sehr hübsche Party mit Pippin und Moses und Mrs. Swindel …«
    »Und vergiß bitte ihren wunderbaren Vater nicht!« Alec betrachtete lächelnd seine versammelte Familie. Er hatte in den vergangenen Wochen viel Zeit mit Hallie verbracht, an ihren Unterrichtsstunden teilgenommen und auf französisch und italienisch mit ihr gesprochen. Er hatte keine Schwierigkeiten, sich dieser Sprachen zu erinnern. Er sprach die Worte aus, ohne bewußt überlegen zu müssen. Er mochte seine Tochter. Und das, meinte er, war schon mal ein guter Anfang. Auch wenn sie müde wurde und zu weinen und zu greinen begann, zeigte er kaum Ungeduld. Er bemerkte, daß er sie nur anzusehen brauchte, und schon hörte sie auf zu quengeln. Jetzt sagte er zu Genny, die für seinen Geschmack etwas zu mitgenommen aussah: »Noch eine Viertelstunde, dann sind wir am Dock.«
    »Gut«, sagte Genny. »Ich brenne darauf, wieder festes Land unter die Füße zu bekommen.«
    »Und deinem Magen wird es sicherlich auch gut tun.«
    »Ja, bestimmt. Wo steigen wir heute abend ab, Alec? In Southampton?«
    »Ja, in der Chequer’s Inn.« Nach kurzer Pause fuhr Alec fort: »Pippin hat mir den Gasthof genannt. Er sagte, ein guter Freund von mir sei der Besitzer, ein gewisser Chivers.«
    Genny drückte seinen Unterarm, eine instinktive Geste, die ihm sagen sollte, daß sie wisse, wie ihm zumute war. Zu ihrer Überraschung schüttelte er ihre Hand ab.
    »Entschuldigt mich jetzt! Ich muß zurück.« Und damit ließ er sie stehen. Genny schaute ihm nach und fragte sich, was wohl in ihm vorging.
    Tatsächlich war Alec zornig. Auf sie alle. Auch auf seine wohlmeinende Frau, an die er keine Erinnerung hatte. Und auf sich selber wegen seiner verfluchten nichtendenwollenden Gedächtnisschwäche. Müßte ihm jetzt nicht wieder alles einfallen? Oder besaß er zu wenig Gehirn? Wenn es auch nur etwas Erinnerungswürdiges gab, müßte er sich jetzt, fast sechs Wochen nach dem Unfall, nicht dessen entsinnen? Er hatte so große Hoffnungen darauf gesetzt, daß bei der Landung in England sein Erinnerungsvermögen wieder einsetzen würde. Bisher war nichts dergleichen geschehen. Für ihn hätte hier China sein können. Daß ihm so eine verdammte Sache zustoßen mußte!
    Die Chequer’s Inn war über hundert Jahre alt. Das gemütliche Haus hatte überall flackernde Kaminfeuer, vom eichenholzgetäfelten Schankraum bis zu Moses’ und Pippins Zimmer im zweiten Stock. »Hier riecht es so gut«, sagte Genny und vollführte mitten in ihrem Schlafzimmer eine wirbelnde

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