Sturmwind der Liebe
nicht. Es war allerdings, wie ihm einfiel, auch ganz anders als ihr Zimmer in Baltimore. Lässig forderte er sie auf: »Kommt mit in die Hauptsuite, meine Liebe! Wollen mal sehen, wie es dir dort gefällt. Wer weiß, vielleicht möchtest du darin mit mir wohnen.«
Diese Bemerkung hatte ein mißbilligendes Schnaufen von seiten der Mrs. Britt und einen unendlich erleichterten Blick von Genny zur Folge.
Für Alec war es natürlich so, als träte er in einen ihm gänzlich unbekannten Raum mit Möbeln, die er noch nie gesehen hatte, in eine Umgebung, die ihm völlig neu war. Es war, gelinde gesagt, ein unbehagliches Gefühl.
Alle Wände waren bis in Hüfthöhe mit feinstem Mahagoni getäfelt. Die Vorhänge waren aus schwerem Goldsamt, die Möbel spanisch – schwer, dunkel und gewichtig. Seine erste Reaktion war die der Abneigung. Die Suite war so düster und bedrückend wie die spanische Inquisition.
»Mein Gott«, sagte Genny, die sich voll ehrfürchtigem Staunens darin umsah, »das erinnert mich an ein Gemälde des Spaniers Francisco Goya, das ich mal in Mr. Tollivers Haus in Baltimore gesehen habe. Es ist sehr düster, Alec.«
»Dann wirst du es ganz einfach ausräumen, neu möblieren und neu anstreichen lassen und was immer du sonst noch für notwendig hältst. Ebenso deine Suite. Oder du kannst deine auch noch ganz vergessen und zu mir einziehen.«
Alec sah ihre Augen begeistert aufleuchten und dachte: Das dürfte ihr über die erste schwere Zeit der Eingewöhnung in diesem Haus und in London überhaupt hinweghelfen.
Am Tag nach ihrer Ankunft ließ Alec Genny allein, um seinen Anwalt aufzusuchen. Bei der Rückkehr durch die St. James Street geschah es, daß ihm eine Dame mit einem bezaubernden Regenschirm zuwinkte. Er wunderte sich, daß sie nicht fror. Es war ein kalter Tag, zwar kein Regen, dafür aber eine Kälte, die ihm bis auf die Knochen drang – und er trug immerhin einen sehr warmen Überzieher. Er hatte die Baronsgarderobe besichtigt und fand, daß sie ihm durchaus zusagte.
Er zügelte das Pferd, zog den Biberpelzhut und sagte: »Guten Tag. Wie geht es Ihnen?«
Sie war ein Rotkopf, hochgewachsen, mit vollem Busen und funkelnden Augen von tiefer Leidenschaftlichkeit.
»Alec! Endlich wieder daheim! Du warst viel zu lange fort, mein lieber Mann. Ach, ist das wundervoll! Du mußt heute abend zu mir ins Haus kommen. Ich gebe nur eine kleine Soiree, aber du wirst alle deine Freunde wiedersehen.«
»Es sieht so aus, als ob er dich gar nicht erkannt hat, Eiken.«
»Red nicht solchen Quatsch, Cocky!« sagte Eileen in scharfem Ton zu ihrem Begleiter. Er war ein ausgemachter Stutzer mit einer monströsen Halsschleife, die ihm bis an die Ohrläppchen ging, und einer lavendelfarbenen Hose, die in auf Hochglanz gebrachten Reitstiefeln steckten. Sein Mantel war blaßgelb.
»Cocky«, sagte Alec und verbeugte sich leicht im Sattel.
»Ja, du mußt kommen, alter Freund. Eileen wohnt noch immer in der Clayborn Street. Du weißt ja, Nummer sieben.«
»Ich werde allen sagen, daß du wieder in London bist.«
Alec nickte. Später war immer noch Zeit, sich zu überlegen, welche Entschuldigung er in die Clayborn Street schikken würde. Im Augenblick hatte er andere Dinge im Kopf. Höchst unangenehme Dinge. Er hatte eine Menge zu unternehmen.
Eine Stunde später saß Alec seiner Frau in einem gemütlichen, ungestörten runden Zimmer mit Kamin am Frühstückstisch gegenüber.
Genny sah ihn gespannt an. »Was ist los, Alec? Was hat dein Anwalt gesagt?«
»Er heißt Jonathan Rafer. Er kennt mich seit der Zeit, als ich noch Windeln trug, und war ein großer Freund meines Vaters. Seine Frau will uns eine Sahnetorte ihres Küchenchefs schicken. Die hätte ich immer besonders gern gegessen, sagt Mr. Rafer.«
Er hielt inne und spießte eine Scheibe Schinken mit der Gabel auf. Beim Essen betrachtete er die eleganten Möbel des kleinen Zimmers. Alles wohlgelungen. Er fragte sich, wem das wohl zu verdanken war.
»Das große Eßzimmer gefällt dir wohl nicht?« fragte er Genny.
»Es ist zu kalt und außerdem zu groß für uns beide.»
Das leuchtete ihm ein, aber er schwieg.
»Der Anwalt Mr. Rafer, Alec!«
»Es scheinen böse Hände im Spiel zu sein, sagt Mr. Rafer. Der zuständige Friedensrichter, ein Sir Edward Mortimer, meint, es sei das Werk unzufriedener Pächter von mir gewesen. Er behauptet, diese Pächter hätten meinen Verwalter ermordet und den Landsitz in Brand gesteckt. Um der Sache auf den Grund zu gehen,
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