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Sturmwind der Liebe

Sturmwind der Liebe

Titel: Sturmwind der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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sagt.«
    Alec beugte sich über sie und strich ihr leicht über den flachen Leib. »Wollen wir ihr ein Brüderchen schenken?«
    »Und wenn er dann nach mir kommt?«
    »Das könnte äußerst peinlich werden, weil dann alle Männer hinter ihm her wären.«
    Genny stieß ihm kichernd gegen den Arm. Plötzlich erfaßte sie eine neue Welle der Übelkeit. Sie umfaßte ihren Unterleib. »Oh, ist das scheußlich. Ich glaube, ich werde dir das nie verzeihen!«
    Alec blieb bei ihr, bis sie eingeschlafen war. Dann suchte er Dr. Pruitt auf.
    Danach verbrachte er mehrere Stunden mit Grübeln. Er war sich bewußt, daß seine Männer ihn oft mit deutlich sichtbarer Sorge und manche von Zweifeln geplagt fragend anblickten. Wer sollte ihnen das vorwerfen? Ein Mann, der seine ganze Vergangenheit vergessen hatte! Er kramte in seinem Gedächtnis, und siehe da, kleine Bruchstücke kamen ihm in den Sinn. Doch sie verschwanden ebenso plötzlich. Es war enttäuschend und ärgerlich. Im großen und ganzen hatte Genny recht. Es waren Menschen aus seiner Vergangenheit, die kurze Zeit vor ihm auftauchten. Jetzt sah er mehrere Frauen, alle waren schön, und er sah nicht nur ihre Gesichter, sondern auch ihre weißen Körper. Er sah sich selber, wie er sie liebkoste, mit ihnen schlief und in sie eindrang.
    Und er sah auch wieder Nesta. Tot lag sie auf den weißen Kissen.

20
    In der dritten Dezemberwoche landeten sie in Southampton. Als echte Einwohnerin von Baltimore konnte sich Genny kaum über den grauen Himmel, den Nieselregen und den Wind beklagen, der oft schneidend durch die wärmste Wollkleidung fuhr. Die Männer auf den Docks waren wie amerikanische Seeleute, Büroangestellte und Kutscher gekleidet. Aber ihre Sprache und die Art, wie sie die Wörter betonten – so etwas hatte sie noch nie gehört. Willkommen in England, dachte sie, noch vor fünf kurzen Jahren der geschworene Feind meines Heimatlandes. Du, mein Mädchen, hast dir dein Bett bereitet, als Frau eines Engländers.
    Und wirklich hatte sie sich nicht nur ihr Bett bereitet, sie hatte auch zahlreiche Male mit großer Lust darin gelegen. Das Kind in ihrem Schoß war der lebende Beweis dafür.
    Seufzend zog Genny den Mantel enger um sich. Ihr Bauch war noch ziemlich flach. Nur sie und Alec bemerkten die leichte Schwellung. Doch ihre Brüste waren schwerer, und ihre Taille war breiter geworden. Manchmal dachte sie, daß Alec ihren Körper so gut oder noch besser kannte als sie selber. Vor allem, wenn er sie sehr intensiv geliebt hatte. Manchmal umspannte er ihren Bauch mit gespreizten Fingern. Dann nickte er schweigend. Manchmal hatte er sie wie ein sehr hochmütiger, von sich überzeugter Kerl angesehen, der er ja auch war.
    Ja, er war hochmütig, aber auch bemerkenswert gelassen, wenn man bedachte, daß für ihn der größte Teil seines Lebens in einer Leere der Vergessenheit verschüttet lag. Gelegentlich tauchten Erinnerungsfetzen auf, die sich aber quälend schnell wieder verflüchtigten. Nur einmal auf der langen Reise hatte sie ihn wirklich zornig erlebt. Das war wegen eines neuen Mannes, eines Amerikaners aus Florida, der heimlich einen Schnapsvorrat an Bord geschmuggelt hatte. Betrunken wie ein Ritter hatte er an einem warmen Abend Genny an Deck gesehen und sich in plump-verliebter Art an sie herangemacht. Das brachte ihm einen gebrochenen Kiefer ein. Obgleich Alec sich nicht erinnern konnte, würde er sie unter Einsatz seines Lebens gegen jedermann verteidigen.
    Jetzt sah sie Cribbs, stocknüchtern wie ein Pfarrer am Sonntagmorgen, viele Meter Leinwand vom Großsegel festzurren. Sie wünschte, sie könnte helfen. Aber als sie Alec einmal gefragt hatte, ob sie von ihm die Feinheiten des Segelns in einer Schonerbark lernen könne, hatte er sie nur verwundert angesehen und ihr einen Roman zum Lesen gegeben. Es war, als hätte er völlig vergessen, daß sie einmal Kapitän des Klippers gewesen war.
    Sie seufzte wieder. Sie konnte es kaum erwarten, an Land zu gehen. Drei Wochen lang hatte ihr Magen Ruhe gegeben. Aber als die
Night Dancer
in den Ärmelkanal eingefahren war, hatten sonderbare Strömungen und Gegenströmungen die Schonerbark einige Male zum Schlingern gebracht, und ihr war erneut übel geworden. Doch sie hatte wenigstens ihre Erinnerungen. Was sollte Alec tun, wenn er traurig war und der Gegenwart entfliehen wollte? Und wie wäre ihr Leben wohl verlaufen, wenn Alec nicht nach Baltimore gekommen wäre? Sicherlich wäre ihr Vater auch gestorben, und sie hätte die

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