Sturmwind der Liebe
hatte. Nun, Alec konnte sich an fast nichts mehr erinnern. Gern hätte sie ihn jetzt gefragt, wie sie in dem Kleid aussehe. Aber wahrscheinlich würde er nur wieder seine spitze Zunge an ihr erproben. Sie betrachtete sich noch einmal lange im Spiegel und war ein wenig unsicher. Dann reckte sie die Schultern, warf sich den Mantel über und ging.
Alec erwartete sie. Er sah in seinem schwarzen Abendanzug mit makellosem Hemd und Krawatte wie ein Prinz aus. Er warf nur einen kurzen Blick auf sie, doch seine Augen waren kalt. Zwischen seinen Brauen stand eine steile Falte.
Sie nickte ihm nur zu.
»Gehen wir?«
Sie nickte wieder und ging an ihm vorbei zur Kutsche. Ein Lakai hielt für sie den Regenschirm, bis Alec ihr hineingeholfen hatte. Sie hörte, wie er dem Fahrer, den er Collin nannte, Anweisungen gab. Dann stieg er zu ihr ein. Er fragte sie nicht, ob ihr kalt sei, sondern legte ihr nur eine Wagendecke über die Beine.
Dann machte er es sich in den Polstern bequem. Er war noch ein bißchen verärgert, weil seine Frau so aufsässig und stur gewesen war. Ein solches Benehmen war er von ihr nicht gewöhnt. Ach, sie sah aber sehr schön aus! Diesen Mantel hatte sie zum letztenmal vor drei Wochen an Bord der
Night Dancer
getragen. Damals hatte sie ihm gesagt, sie habe den Stoff, die Farbe und den Schnitt für den Mantel und das dazu passende Kleid selber ausgewählt. Das hatte ihn überrascht. Er hatte unter ihren Mantel gefaßt und ihr die Brust gestreichelt. Bei dem Gedanken daran wurde er wieder erregt. Aber das war gesünder als jeder Ärger und machte bestimmt mehr Vergnügen.
Er grinste im Dunkeln und sagte gleichmütig: »Die Frau heißt Eileen Blanchard, Lady Ramsey, und ist verwitwet. Ich hielt mich für ungemein schlau, als ich das aus March herausbekommen hatte, und weißt du, was er mir da sagte? Moses, ein feiner Kerl, habe ich über mein kleines Problem in Kenntnis gesetzt, und das sei gut so, weil er auch ein feiner Kerl sei und die Angelegenheit mit größter Verschwiegenheit behandeln werde. Ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Er werde sich um alles kümmern. Ich kam mir vor wie ein Siebenjähriger. Dann sagte er noch, er wisse nicht viel über diese Eileen, aber er könne sich entsinnen, daß ich sie früher sehr gemocht hätte. Gott sei Dank wußte er noch ihren vollen Namen.«
Genny mußte ein wenig lächeln. Als er zärtlich ihre behandschuhte Hand ergriff und sie tätschelte, seufzte sie und wandte sich ihm zu.
Er küßte sie ganz zart. »Du siehst sehr schön aus, Genny. Ich habe es gern, wenn du dein Haar so frisierst.«
»Mrs. Britt hat darauf bestanden. Hast du es wirklich gern, wenn ich es oben auf dem Scheitel zu einem Krönchen flechte?«
»Ja, sicher. Ich mag es, wenn die losen Locken dein Gesicht einrahmen. Und besonders, wenn sie dir in den Nacken fallen. Sehr erregend, sehr …«
»Nein, bitte nicht.«
Er küßte sie wieder. »Verzeih mir, daß ich dich heute so schroff abgefertigt habe. Es tut mir leid. Und mach dir keine Gedanken wegen der Abendgesellschaft! Ich lasse dich nicht unter den fremden Menschen allein.«
Damit mußte Genny sich zufrieden geben. Oh, er wußte nur zu gut, wie er mit ihr umzugehen hatte.
Und Alec küßte sie wieder. Er liebte den Druck ihres weichen Mundes und den Geschmack ihrer Küsse. Er hätte ihr jetzt sehr gern wieder unter den Mantel gefaßt und ihre Brüste gestreichelt, hielt sich aber zurück.
Hoffentlich benahm sich die Dienerschaft ihr gegenübe gut. In seiner Gegenwart taten sie es ja. Aber als Amerikanerin war sie nicht daran gewöhnt, daß ein Mädchen ihr beim Ankleiden half. Dies hatte einen entsetzten Aufschrei be Mrs. Britt verursacht. Sie hatte Pippin ihr Leid geklagt, de seinerseits ihn, Alec, informiert hatte, als er sich selber ge rade für den Abend umzog.
»Sie hält Genny wohl für so eine Art Wilde, Käpt’n … my Lord. Sie hat es zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber ich glaube, sie denkt, Genny hätte sie nach Ihrem Unfall zur Heirat gezwungen. Keine Sorge, my Lord. Wenn es mal Krach geben sollte, setze ich mein Geld auf Genny. Aber Sie werden sehen, Mrs. Britt wird sich auch wieder beruhigen. Ich meine nur, Sie sollten wissen, auf welchem Kurs wir segeln.«
Nun, Mrs. Britt hatte Gennys Haare ganz bezaubernd frisiert.
Als sie ankamen, wurden sie standesgemäß von einem Lakai mit Regenschirm ins Haus begleitet. Im großen Salon hatte sich bereits zur Begrüßung durch die Gastgeberin eine Schlange gebildet.
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