Sturmwind der Liebe
Genny.«
»Das ist mir gleich. Von mir aus könnte er auch Russe sein! Ich will ihn nicht haben. Ich will überhaupt nicht heiraten. Niemals!«
Mit dieser scharfen Schlußbemerkung raffte Genny die Röcke und stürmte aus dem Zimmer. Doch ihr stolzer Abgang hätte um ein Haar unrühmlich geendet. Da sie gewöhnt war, Hosen zu tragen, trat sie auf den Rocksaum und stürzte mit wild schlagenden Armen auf einen Tisch an der Wand zu. Im letzten Augenblick gewann sie das Gleichgewicht wieder und riß nur eine Vase um, die auf den Boden krachte. Der Lärm klang geradezu obszön.
Alec sprang ihr bei. »Alles in Ordnung?«
»Ha, klar.« Genny ließ sich auf die Knie nieder und sammelte die verstreuten Nelken und Rosen auf. Ohne ihn anzusehen, fragte sie: »Bleiben Sie zum Essen?«
»Gilt die Einladung noch?«
»Dies ist das Haus meines Vaters. Offenbar tut er, was ihm beliebt. Mir ist es gleich, was er oder Sie tun.« Abrupt stand sie auf, ließ die aufgesammelten Blumen wieder fallen und steuerte auf die Haustür zu.
»Wo zum Teufel wollen Sie hin? Draußen regnet es!«
Das stimmte. Sie blieb stehen. Dann drehte sie sich lächelnd zu ihm um. »Ich gehe in die Küche und kümmere mich um Ihr Essen, my Lord. Was sollte eine gute Gastgeberin denn anderes tun?«
»Darf ich Ihnen mal etwas sagen? Sie brauchen vermutlich noch einige Aufklärung!«
Ihre Augen sprühten Feuer. »Gehen Sie zum Teufel!«
Alec merkte, daß sie an sich halten mußte, um nicht mit irgendwelchen Gegenständen nach ihm zu werfen. Schließlich stieß sie die Tür zur Küche auf, ging hindurch und schlug sie hinter sich zu. Er fand, daß sie in ihrem Kleid, auch wenn es alt und viel zu kurz war, sehr nett aussah.
6
»Papa?«
Alec ging durch die Verbindungstür noch einmal zur Koje seiner Tochter. »Du bist wach? Vor einem Augenblick habe ich dich doch noch laut schnarchen hören.«
Hallie kicherte, rieb sich mit den Fäusten die Augen und richtete sich auf.
Alec balancierte mit den Bewegungen der
Night Dancer.
Zwar lag sie fest vertäut im inneren Hafenbecken. Doch draußen war Sturm, und sie schwankte auf und nieder. Er setzte sich neben Hallie und nahm ihre Hand. Er betrachtete die geraden Finger. Wie klein sie waren und doch für eine Fünfjährige schon so vollkommen und geschickt! An den Daumen war Hornhaut zu sehen.
»Hallie, möchtest du mal eine Zeitlang an Land in einem Haus wohnen? In einem richtigen Haus, das sich nicht unter deinen Füßen bewegt?«
Seine Tochter blickte ihn fragend an. »Warum?«
»Darum. Kleine Mädchen dürfen ihren Vater nicht dauernd mit Fragen löchern. Also gut. Ich meine, wir werden eine ganze Weile in Baltimore bleiben. Und dann wäre es blöd, an Bord des Schiffs zu wohnen. Ich suche für uns ein Haus am Wasser. Und morgen ziehen wir aufs feste Land um.«
»Na schön. Mrs. Swindel möchte ja auch auf die terra firma.«
»Was?«
»Das ist Latein, Papa. Mrs. Swindel spricht dauernd darüber mit Dr. Pruitt. Bist du heute abend mit einer Dame zusammen gewesen?«
»Sozusagen ja. Allerdings war die Dame sehr wütend auf mich und hat kaum mit mir gesprochen. Dafür war ihr Vater sehr freundlich zu mir.«
»Wie heißt sie?«
»Genny. Sie leitet die Arbeit in der Werft ihres Vaters.«
»Warum war sie denn auf dich böse?«
Alec grinste. »Ich habe sie wohl etwas gehänselt.«
»Ist sie hübsch?«
»Hübsch?« wiederholte Alec. Stirnrunzelnd betrachtete er Hallies kleine Hose, die sauber zusammengelegt über der Stuhllehne lag. Wenn sie längere Zeit in Baltimore blieben, mußte er dem Kind anständige Mädchenkleider kaufen. »Ich würde sagen, ja, sie ist hübsch. Allerdings macht sie nicht viel von sich her. Sie trägt zum Beispiel Männerkleidung, weißt du …«
»So wie ich?«
»Bei ihr ist es etwas anders, Hallie. Sie kann Männer nicht leiden. Sie will niemals heiraten.«
»Sie kann dich nicht leiden?« Das war für Alecs größte Bewunderin einfach unfaßbar. »Das ist doch blöd, Papa. Alle Damen können dich gut leiden.«
Er fragte sich, was wohl als nächstes aus dem Mund der Fünfjährigen kommen würde.
»Du, dann kann ich sie auch nicht leiden.«
»Nun, das ist ziemlich unwichtig, denn du wirst sie wahrscheinlich gar nicht kennenlernen.«
»Warum hast du sie denn wütend auf dich gemacht? Ich wußte gar nicht, daß du an so was Spaß findest.«
Gute Frage, dachte Alec. »Ich weiß es auch nicht genau«, sagte er. »Vielleicht weil ich neugierig darauf war, was sie tun würde.
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