Sturmwind der Liebe
liebsten abgenommen.« Er seufzte. »Ich hätte ihr gar nicht erlauben dürfen, ihn aufzusetzen. Aber es lag ihr so sehr am Herzen, daß Sie ihren guten Geschäftssinn anerkennen und ihr mit Achtung entgegenkommen. Was hätten Sie wohl als ihr Vater getan?«
Als Hallies Vater fragte er sich, was er wohl täte, wenn Hallie es sich in den Kopf setzen würde, in etwa fünfzehn Jahren Männerkleidung zu tragen. Würde er lachen? Ihr drohen? Oder sie verhauen?
»Wahrscheinlich würde ich ihr ihren Willen lassen.«
»Genau. Und jetzt, mein Junge, möchte ich Sie etwas fragen, bevor Genny hier ist. Sind Sie immer noch bereit, als Teilhaber in die Paxton-Werft einzutreten, obwohl Sie jetzt natürlich wissen, daß Genny sie leitet, weil mein verdammter körperlicher Zustand es mir nicht mehr erlaubt, es selber zu tun?«
Alec schwieg eine ganze Weile. Er sollte die Geschäfte – die kommenden Geschäfte – zusammen mit einer Frau führen?
»Ich habe viel darüber nachgedacht«, fuhr James fort. »Ich weiß ja nicht, wie lange ich noch leben werde. Mein Arzt, ein altes Klageweib, schüttelt nur den kahlen Kopf, streicht sich das Kinn und sagt, ich solle mich schonen. Aber um auf das Geschäftliche zurückzukommen: Genny ist meine Erbin. Vor etwa zehn Jahren ist leider ihr Bruder Vincent gestorben. Nicht daß ich Genny ihre großen Fähigkeiten absprechen will. Sie ist ein wahres As, arbeitet hart und ist hochintelligent. Aber wenn ich morgen ins Grab sinke, dann wird sie ganz allein, ohne Familie dastehen. Und Sie wissen so gut wie ich, daß kein Mann mit Selbstachtung Geschäfte mit ihr machen würde.«
»Aber alle, die seit Jahren mit Ihnen in Geschäftsverbindung standen, würden doch sicherlich …«
»Nein, das würden sie nicht. Auf der einen Seite gibt es Heim und Herd, auf der anderen das Geschäft. Es sind zwei verschiedene Welten. Wenn man eine Frau aus der einen Welt – zu der sie nach allgemeiner Ansicht gehört – in die andere versetzt, fühlen sich die Männer bedroht und nehmen gegen sie Stellung. Teufel noch mal, ich würde es wahrscheinlich genauso tun. Alec, ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen.«
Unvermittelt ließ er die Katze aus dem Sack. »Die Paxton-Werft soll Ihnen gehören – vollständig. Das einzige, was Sie dafür tun müssen – Sie müssen Genny heiraten.«
Alec saß steif wie ein Ladestock da.
»Schließlich ist sie ein hübsches Mädchen – nein, eine hübsche Frau. Es stimmt, daß sie wenig Weibliches an sich hat. Sie interessiert sich nicht für Mode und solchen Schnickschnack, aber sie hat ein gutes Herz, ist geschäftstüchtig und von freundlicher Gemütsart.«
Baron Sherard bewahrte weiterhin hartnäckiges Schweigen.
Doch James fuhr entschlossen fort: »Sie sind ein Baron, my Lord. Sie müssen einen männlichen Erben haben. Alec könnte Ihnen so viele Kinder schenken, wie Sie nur wünschen.«
»Woher wollen Sie denn wissen, daß ich noch keinen Erben habe?«
James erschrak. »Entschuldigen Sie, ich hatte es einfach angenommen.«
Alec seufzte. »Es stimmt, ich habe keinen männlichen Erben. Und irgendwann in der Zukunft sollte ich wohl einen Sohn zeugen, der den Titel erben wird. Aber hören Sie, Sir, ich habe noch keine Lust, in nächster Zeit zu heiraten. Ich habe meine Frau geliebt, aber … Nein, ich will mich vorläufig nicht an eine Frau binden. Hören Sie, Sir, ich kenne Ihre Tochter nicht näher. Ich glaube Ihnen gern, daß sie alle diese angenehmen Eigenschaften besitzt, die Sie nannten. Im übrigen kennt sie mich ja auch nicht. Und ich würde sagen, sie mag mich überhaupt nicht.«
»Das, Sir, trifft den Nagel auf den Kopf.«
Jetzt fuhr Alec herum. In der Tür stand Genny, finster wie ein Vikar angesichts einer Orgie.
Alec stand auf. »Genny«, sagte er.
Ohne Alec zu beachten, wandte sie sich lautstark an ihren Vater. »Wie kannst du es wagen! Du willst mir diesen Mann
kaufen?
Er bekommt die Werft, und ich bekomme
ihn?
Ich kann es nicht glauben, daß du dich dazu hinreißen läßt. Mein eigener Vater! Dabei kennst du ihn nicht einmal. Ich will die Werft haben, Vater. Von Rechts wegen steht sie mir zu und nicht ihm! Er ist nichts als ein zügelloser, eingebildeter Fatzke! Schau ihn dir doch bloß mal an! Würde sich ein Amerikaner jemals in solchem Aufzug blicken lassen wie er?«
»Er ist der bestaussehende Mann, den ich seit langer Zeit zu Gesicht bekommen habe«, sagte James Paxton freimütig. »Er kann doch nichts dafür, daß er Engländer ist,
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