Sturmwind der Liebe
Alec. Sie hat Talent.«
»Na schön, Genny«, sagte Alec. »Ich gehe mit Ihnen zu Miß Abercrombie – zur richtigen, versteht sich. Wir ziehen den Auftrag für die anderen Kleider zurück und bestellen bei der richtigen Schwester neue.«
»Nein, das kann ich Miß Mary nicht antun! Es wäre verletzend, ja, geradezu eine Demütigung für sie.«
»Gut. Dann gehen wir zu einer anderen Schneiderin.«
»Mit Ihnen würde ich nicht mal in die Kirche gehen, und der liebe Gott weiß, wie not Ihnen das tut.«
»Benimm dich nicht wie ein kleines Kind!« sagte James.
»Und wer hat mit Laura Salmon schamlos geflirtet?«
»Geflirtet? Ich habe zweimal mit ihr getanzt. Das nennen Sie flirten?«
»Jedenfalls haben Sie mit ihr und sie mit Ihnen geflirtet. Ich möchte wetten, daß sie Sie bereits eingeladen hat, oder?«
»Das geht Sie nichts an.«
Genny stieß einen verächtlichen Laut aus. Sie wußte, daß er Laura besuchen würde. Das machte sie unbegreiflicherweise sehr wütend. Plötzlich legte sie die Hand auf eine der weißen Samtschleifen, riß sie ab und warf sie in das träge brennende Kaminfeuer.
»Bravo! Jetzt brauchen Sie nur noch die restlichen 200 abzureißen.«
»Ach, seien Sie doch still, Baron!«
Nachdenklich strich sich Alec übers Kinn. »Wissen Sie, vielleicht wäre das Kleid gar nicht so übel, wenn Sie die ganzen Kinkerlitzchen abtrennen würden.« Er beugte sich vor, packte eine andere Schleife und riß sie ab. Dann noch eine und noch eine. »Nein, ich glaube doch nicht«, sagte er dann. »Dieses Blau – darin sehen Sie aus, als wären Sie gallenkrank.«
Genny stand auf. »Ich glaube nicht, daß ich Ihre Geschäftspartnerin werden möchte, Baron. Warum kaufen Sie nicht statt dessen einfach die
Pegasus.
Danach würde ich weitere Schiffe für Sie bauen.«
»Sie können aber sicher sein, daß ich Ihr einziger Abnehmer sein würde. Kein Kaufmann mit Selbstachtung in Baltimore würde sich auf Geschäfte mit Ihnen einlassen.«
»Das ist eine Lüge! Es liegt nur an der allgemeinen Haute der Branche und außerdem an unserer Weigerung, Schiffe für den Sklavenhandel zu bauen.«
James lehnte sich zurück. Er genoß das Streitgespräch außerordentlich.
»Ein wenig hat es damit zwar zu tun, meine liebe Eugenia. Aber hauptsächlich liegt es daran, daß Sie als Frau Männerarbeit verrichten. Falls ich mich in die Paxton-Werft einkaufe, werden Sie sich daraus zurückziehen. Ich lasse mir nicht das Geschäft dadurch kaputt machen, daß Sie in Männerhosen herumstolzieren und Männern Befehle geben.«
Vor Aufregung riß Genny noch zwei Schleifen vom Kleid. »Vater! Sag ihm, daß er gehen soll – jetzt gleich!«
»Genny, was Alec sagt, ist leider wahr. Und wenn er sagt, daß du dich aus dem Geschäft zurückziehen sollst, dann meint er das nicht so, wie es klingt.«
»So?« sagte Alec gedehnt. »Wie meine ich es denn wirklich?«
»Sie meinen«, sagte James in mildem Tonfall, »daß Genny etwas mehr Zurückhaltung üben und die öffentlichen Auftritte und den Verkauf den Männern überlassen soll.«
Das wäre ganz gut, dachte Alec. Doch Genny dachte anders darüber. Mit einer Stimme, die so kalt war wie der berühmte Londoner Januar vor fünf Jahren, sagte sie: »Bevor Sie hier ankamen, Baron Sherard, lief bei uns alles gut. Sie aber mischen sich in alles ein, spielen sich auf und sind voreingenommen. Dabei ist Ihr einziges Plus Ihr gutes Aussehen.«
»Mein was?«
»Ihr hinreißendes Aussehen, Baron. Wahrscheinlich beneidet Sie jede Frau darum.«
»Hören Sie endlich auf!« Er beugte sich vor und riß wieder eine Schleife ab. »Vielleicht erinnern Sie sich noch, Mr. Eugene, daß Sie vor meiner Ankunft im Begriff waren, pleite zu gehen, Sie und Ihre verfluchte Werft. Sie halten sich zur Zeit nur noch aus dem Grund, weil jeder glaubt, ich könnte Sie vielleicht aus der Patsche befreien. Schließlich haben Sie mir den Brief geschrieben.«
»Ich gebe zu, das war ein großer Fehler von mir.«
»Kein Mann, der nur eine Unze Gehirn im Schädel hat, würde sich von einer Göre wie Ihnen auf dem Kopf herumtanzen lassen, nicht mal der verkommenste englische Adelige. Hat sie es Ihnen gesagt, Sir? Sie hatte gehofft, ich wäre ein eitler Geck, ein Dandy, der ihr liebend gern die Zügel überließe.«
»Ja, das hat sie mir gesagt. Ich sagte ihr damals, daß sie sich irrte. Aber Genny ist eigensinnig, Alec.«
»Das mag ja sein«, sagte Genny wieder ruhiger zu ihrem Vater, »aber ich verstehe etwas vom Schiffsbau
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