Sturmwind der Liebe
dieser Stellung liegt die Führung bei dir. Du kannst dich nach Belieben auf mir bewegen, und ich ziehe deinen Körper zu mir heran und küsse deine Brüste …«
Sie riß sich von ihm los, rollte sich weg, zog die Bettdecke mit sich und stieg aus dem Bett. Sie legte sich die Decke um den Körper und drehte sich nach ihm um. Sie wollte ihm sagen, was sie von ihm hielt. Aber sie hatte ihn aufgedeckt, und nun lag er mitten im Bett auf dem Rücken vor ihr, die Beine leicht gespreizt. Er war völlig nackt. Sein Glied war steif. Sie mußte schlucken. Sein Körper sah so herrlich aus, daß sie sich wieder über ihn werfen, ihn überall anfassen und überall küssen wollte. Nein, dazu durfte es nicht mehr kommen. Sonst würde sie wirklich wahnsinnig werden.
Er grinste sie an, dieser elende Lump!
Alec stützte sich auf die Ellbogen. »Wirklich, Genny, hör mich an, bevor du wegrennst! Auch als du dich noch als Mann verkleidetest, hast du doch immer gewußt, daß du eine Frau bist. Und wenn eine Frau mit einem Mann schläft, kann sie eben schwanger werden. Genny, du könntest in diesem Augenblick schon schwanger sein …«
»Ach, sei still! Geh weg! Bitte, Alec, ich habe so viel zu tun und …«
»Hast du die Anordnungen im Testament deines Vaters so leichtfertig in den Wind geschlagen oder gar schon vergessen?«
Sie stand stumm und wie erstarrt.
Mit unglaublich sanfter Stimme fuhr er fort: »Ich gehe nicht weg, Genny. Ein Monat vergeht schnell, und danach ist es für uns aus, für dich und für mich. Wir müssen darüber sprechen.«
Er setzte sich auf und schwang die Beine über die Bettkante. Während er sich reckte, verfolgte ihr Blick gebannt das Spiel seiner Rückenmuskeln. Ihr war, als gehöre er hierher, in ihr Schlafzimmer, in ihr Bett.
»Ich kann jetzt nicht«, sagte sie leise.
»In Ordnung. Dann eben heute nachmittag. Wir haben nur noch wenige Tage Zeit.«
Mit gesenktem Kopf dachte sie wie betäubt: Mein Vater ist gerade gestorben, und ich springe zu einem Mann ins Bett, um mir die Jungfernschaft rauben zu lassen. Sie fühlte Tränen aufsteigen. Sie sagte kein Wort mehr, sondern wartete nur ab, bis er endlich ihr Schlafzimmer verlassen hatte.
»Genny, jetzt hast du auch noch das letzte bißchen Verstand verloren!«
»Unsinn. Ich meine es völlig ernst, Alec. Möchtest du noch etwas Tee?«
Er reichte ihr die Tasse. »Halten wir das mal fest! Du willst also wissen, ob ich dich wirklich und wahrhaftig heiraten will?«
»So ist es. Bitte, sag mir die Wahrheit, Alec!«
»Gut. Ja, ich will dich heiraten.«
»Obwohl du mich erst kurze Zeit kennst?«
»Ja.«
»Obwohl du mitangesehen hast, wie ich mich erbrochen habe?«
»Diese Frage ist schon schwieriger. Aber ja, trotzdem.«
»Obgleich ich dir zu Laura Salmons Haus nachgeschlichen und dort auf einen Baum geklettert bin, um dich durch ihr Schlafzimmerfenster zu beobachten?«
»Diese Frage ist noch schwieriger zu beantworten. Aber ja, trotzdem.«
»Liebst du mich?«
Alec schaute einen Augenblick lang in die Teetasse. Eine der alten Zigeunerinnen, die öfter den Landsitz Carrick besuchten, konnte aus den Teeblättern die Zukunft lesen. Das alte Weib hatte ihn ihre Kunst gelehrt, weil sie ihn für einen lieben Jungen hielt. Aber jetzt half ihm das auch nicht weiter. In dem Blättersatz der Tasse sah er nichts. Schließlich sagte er mit leiser Stimme: »Ich habe etwas für dich übrig, Genny. Ich kann dich gut leiden. Ich glaube, wir könnten eine gute Ehe führen.«
»Aber du liebst mich nicht.«
»Du bist sehr hartnäckig. Ich weiß ja nicht einmal, ob es so etwas wie Liebe überhaupt gibt. Liebst du mich denn, Genny?«
Es war deutlich zu sehen, wie sehr sie seine Frage überraschte. Sie warf ihm einen verlorenen Blick zu, der in ihm den Wunsch erweckte, sie in die Arme zu schließen, sie festzuhalten, sie zu wiegen und sie vor jedem zu schützen, der ihr auch nur ein Härchen krümmen wollte. Genny sprang auf und schritt zu den Erkerfenstern, die auf den Rasen an der Vorderseite hinausgingen.
»Liebst du mich, Genny, obwohl ich dich in ein Bordell geführt habe? Obwohl ich dich in meiner Koje angebunden, dich nackt ausgezogen und dich dazu gebracht habe, vor Lust zu schreien?«
»Jetzt bist du aber hartnäckig«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Außerdem, wie kann man jemand lieben, den man erst so kurze Zeit kennt?«
»Es ist aber noch mehr zwischen uns. Wir sind weit über eine flüchtige Bekanntschaft hinaus. Ich möchte dich nicht
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