Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
deutschen Geschäftsleute in Petrograd zwar geduldet, aber nicht gern gesehen«, begann Wolf zu erklären, was Anki ohnehin vermutete. »Zudem brechen uns durch den Krieg, das dadurch herrschende Misstrauen und die unterbrochenen Verbindungen über die Landesgrenzen hinweg unsere Kontakte, Lieferanten und Transportwege weg. Meine Frau zögerte lange mit der Entscheidung, ob auch wir, wie viele andere Unternehmer, in die deutsche Heimat zurückkehren sollen. Wir leben seit mehr als fünfzehn Jahren in Petersburg, Robert hat sein Studium zwar beendet, doch Oskar steckt noch mittendrin. Er weigert sich standhaft, Petersburg, entschuldigen Sie, Petrograd den Rücken zu kehren.«
Wolfs Blick war fragend auf Anki gerichtet, die längst verstanden hatte, was er ihr mitzuteilen versuchte.
»Robert deutete schon vor ein paar Wochen an, dass er dringend ins Kaiserreich zurückkehren muss, um dort einige Prüfungen abzulegen und seine Doktorarbeit zu beenden. Er benötigt die Zulassung als Arzt in beiden Ländern.« Anki blinzelte die in ihre Augen steigenden Tränen weg. »Sie brechen also demnächst auf?« Der Versuch, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben, scheiterte kläglich. Der Gedanke an eine Trennung von Robert rumorte schmerzlich in ihrem Inneren.
Seine Mutter verstärkte den Druck ihrer Hand und lächelte sie traurig an. »Wir sind so dankbar, dass Robert in Ihnen eine Frau gefunden hat, die ihr Leben mit ihm teilen will. Wie grausam eine Trennung über so viele Kilometer und Landesgrenzen hinweg sein wird, vermag ich mir gar nicht vorzustellen. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen Folgendes anbieten: Reisen Sie mit uns in unsere alte Heimat. Wir finden eine schickliche Lösung für Ihre Unterbringung, bis Sie beide verheiratet sind.«
Erstaunlicherweise war es Robert, der einen, wenn auch zaghaften Einwand erhob, wofür Anki ihn mit einem strahlenden Lächeln beschenkte. »Natürlich ist das nur ein Angebot. Wir wissen, wie fest verwurzelt du bei den Chabenskis bist, wie sehr die Kinder an dir hängen und dass ein solches Arbeitsverhältnis normalerweise nicht kurzfristig aufgegeben werden kann. Ich vermute aber, die Chabenskis lassen dich ziehen, wenn auch ungern. Allerdings versprach ich dir vor ein paar Wochen, dass ich dich in diese Richtung nicht bedrängen will. Solltest du bleiben wollen, zumindest, bis ein Ersatz für dich gefunden ist, wird mir das zwar schwerfallen, aber ich kann es verstehen und akzeptieren.«
»Die Fürstin sprach bereits mit ein paar Frauen, die sich für die Stelle als Kinderfrau vorgestellt haben, sie hat aber noch keine Entscheidung getroffen. Ich müsste sie natürlich erst fragen …« Anki brach ab, denn mit einem Mal wurde ihr bewusst, vor welch schwerwiegender Entscheidung sie stand. Auf sie würden gewaltige Umwälzungen zukommen, falls sie das gut gemeinte und großherzige Angebot der Buschs annahm. In Petrograd waren ihr das Leben, der Alltag und die Menschen so wunderbar vertraut; das Deutsche Reich erschien ihr im Gegensatz dazu gänzlich fremd. Sie fühlte sich im Palais der Chabenskis zu Hause; hier hatte sie drei Mädchen und die anderen Angestellten um sich, die ihr ans Herz gewachsen waren. Außerdem gab es da noch Ljudmila, die Anki nach dem verstörenden Erlebnis mit Rasputin dringend an ihrer Seite brauchte. In der Heimat der Buschs war sie eine Fremde, und vermutlich würde sie dies auch auf lange Sicht bleiben. Immerhin war Wolf gezwungen, dort mit seinem Architekturbüro ganz von vorn anzufangen. Dabei würde er viel Zeit in den Aufbau neuer Geschäftsverbindungen investieren müssen. Mathilde plante bestimmt, alte Freundschaften aufleben zu lassen, während Robert seine Energie in seine Prüfungen und Arbeit stecken musste und deshalb kaum Zeit für sie erübrigen konnte.
Anki kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass sie ängstlicher Natur war. Jede Veränderung machte ihr erheblich zu schaffen. Wäre es nicht besser, in der ihr vertrauten Umgebung die Kriegswochen auszusitzen, um Robert nachzureisen, sobald er ein Heim für sie vorbereitet hatte? Womöglich würde er nach den absolvierten Prüfungen im Deutschen Reich seinen Platz an Dr. Botkins Seite hier in Petrograd wieder einnehmen …
»Wir möchten Sie nicht zu einem überstürzten Entschluss drängen«, unterbrach Mathilde das Schweigen, das sich über den Raum gesenkt hatte. »Am liebsten würde ich Ihnen sagen: Nehmen Sie sich alle Zeit, die Sie brauchen, um unseren Vorschlag gut zu
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