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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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erklärt und Serbien dem Osmanischen Reich, das wiederum den Russen und Frankreich den Fehdehandschuh hingeworfen hatte. Um Frankreich zu unterstützen, hatten Russland und Großbritannien dem Osmanischen Reich den Krieg bekundet. Der Kalif in Konstantinopel hatte der Entente gleich den Heiligen Krieg erklärt und selbst in den Kolonien ging es alles andere als friedlich zu. Sogar weit entfernte Länder wie Japan ließen sich mit in den Sog des Krieges reißen. Von einer schnellen Beendigung der Kämpfe hörte er im Kreis der an der Universität verbliebenen Handvoll Studenten nichts mehr.
    Bekümmert senkte er den Kopf und blickte auf die Wellen. Wie hatten sie sich nur dermaßen täuschen lassen können? Ein baldiges Ende der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Russland und Deutschland stand nicht in Aussicht. Mindestens ein Jahr, so vermuteten die Leute, würde der Krieg noch andauern. Ein langes Jahr, in dem er von Oskar getrennt war und – was für ihn noch viel schwerer wog – von Anki!
    Robert kniff die Augen zusammen, lauschte auf das Plätschern des Neckars und auf die Schritte der Passanten, die bei diesem feuchtkalten Wetter eilig die Brücke überquerten. Am liebsten wäre er in demselben forschen Tempo losgelaufen, gen Osten, zu Anki! Der Gedanke an ihr hübsches Gesicht mit den blauen Augen und dem goldschimmernden Haar zog ihm den Magen zusammen. Eine Flamme der Sehnsucht, die zu einem lodernden Feuer anwuchs, flackerte heiß in seinem Inneren und drohte ihn zu verbrennen. Warum hatte er zugelassen, dass sie zurückblieb? Wie närrisch war er gewesen, dass er sie nicht intensiver gebeten, ja gedrängt hatte, ihn zu begleiten? Was hatte er ihr und sich mit seiner Zurückhaltung beweisen wollen? Seine Liebe zu ihr? Sein Vertrauen in sie? Womöglich wurde ihnen jetzt beides zum Fallstrick! Ein Jahr war eine lange Zeit. Zu lange für eine Liebe, die doch erst an ihrem Anfang stand?
    Robert stieß sich vom Brückengeländer ab und zog einen zerknitterten Brief aus der Hosentasche. Seine Mutter hatte ihm diesen kurz nach ihrer Abreise aus Petrograd mit den Worten gegeben, er sei von Anki.
    Bisher hatten Ankis auf Büttenpapier geschriebene Worte jedes Mal sein Herz erwärmt, wenn er sie las – und das war während der vielen Tage im Zug häufig der Fall gewesen. Nun aber kroch bei der Lektüre eine eisige Kälte von seinem Rücken in den Nacken, als greife der Nebel mit klammen Fingern unter seine Kleidung.
    Geliebter Robert!
    Wenn Du diese Zeilen liest, hast Du Petrograd längst hinter Dir gelassen, auf dem Weg in Deine alte-neue Heimat. Ich wünsche Dir von Herzen Gottes Segen für Deinen Neubeginn und Deine noch anstehenden Abschlussarbeiten. Wir werden für eine kurze Zeit getrennt sein, doch diese Zeit des Wartens wird meine Liebe zu Dir nur noch vertiefen und die Vorfreude auf unser Wiedersehen von Tag zu Tag vergrößern. Ich warte auf Dich!
    In Liebe,
    Anki
    Die Hand, die das Papier hielt, zitterte. Er schluckte mehrmals, um die aufsteigenden Tränen zu verdrängen und seinen Wunsch, sofort nach Russland zurückzukehren, tief in sich zu verschließen. Ebenso tat er es mit seiner Liebe zu einer Frau, die unerreichbar weit von ihm entfernt war – und dies für eine unbestimmte und für ihn nicht beeinflussbare Zeitspanne.

Kapitel 28
    Berlin, Deutsches Reich,
November 1914
    Regentropfen trommelten gegen die Fensterscheiben und perlten an ihnen entlang nach unten. Durch das nasse Glas sah die Stadt noch trister aus, als sie das in diesem grauen Herbst ohnehin tat. Dementsprechend unbehaglich fühlte sich Demy. Sie zog ihre Schultern nach oben und wandte den Blick vom Fenster auf ihre dampfende Teetasse und schließlich hinüber zu Meindorff Senior. Es kam selten vor, dass Demy frühmorgens auf den Hausherrn traf, da er nach ihr aufzustehen pflegte und sich das Frühstück von Maria ins Arbeitszimmer bringen ließ.
    An diesem unwirtlichen Morgen saß Meindorff jedoch vor einem gefüllten Teller und einem mittlerweile kalten Kaffee, die gefalteten Hände auf der Tischkante, und wirkte geistesabwesend. Seine buschigen Augenbrauen waren bedrohlich zusammengezogen, wenngleich sein Blick an diesem Tag weder herrisch noch Ehrfurcht gebietend war. Vielmehr wirkte er bedrückt und grüblerisch.
    Demy hatte weder auf ihren leise ausgesprochenen Gruß noch auf ihre Frage, ob sie ihm einen frischen Kaffee bringen solle, eine Reaktion erhalten, weshalb sie ebenfalls schweigend ihre Mahlzeit einnahm.
    Die

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