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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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siebenjährigen Nathanael mitgebracht, ihr Findelkind aus der Anfangszeit in Berlin. Die Lage im Waisenhaus hatte sich durch den Krieg dramatisch verschlechtert; die Gelder für die soziale Einrichtung blieben aus, da ihre Unterstützer im Krieg waren. Einige der Erzieherinnen arbeiteten inzwischen in Munitions- und Waffenfabriken.
    Vor einer Woche dann hatte Maria einen alten Herrn eingeladen, für die Dauer des Krieges bei den Meindorffs unterzukommen. Viktor Bauer war ein ehemaliger Patient ihres verstorbenen Mannes. Für die Arbeit oder den Krieg war er zu alt und die Unterstützung, die er erhielt, reichte bei den inflationären Preisen nicht zum Leben aus. Zuletzt hatte er seine Mietwohnung verloren.
    Das Klacken der Eingangstür ließ Demy herumfahren. Sie war an diesem Tag spät dran, die Türen zu verschließen. Berlin war noch unruhiger und unsicherer geworden, als es vor Jahren schon gewesen war. Wie leicht konnte sich ein ungebetener Gast Zutritt zum Haus verschaffen!
    Demy zog sich in eine Fensternische zurück, ließ jedoch die Treppe zum Vorfoyer nicht aus den Augen. Der braune Samtvorhang, der die Nische einrahmte, schmiegte sich warm und weich an ihre Wange, und Demy wartete beunruhigt darauf, was geschah.
    Die Schritte einer Person mit Schuhen und einer anderen, deren Füße nackt auf das Parkett patschten, näherten sich durch das kleinere Foyer den drei Stufen. Demy reckte ihren Kopf hinter dem Vorhang hervor und erkannte im sanften Licht der einzelnen Wandlampe Hennys feuerroten Haarschopf. Neben ihr tappte ein Mädchen die Treppe hinauf, das Demy auf fünfzehn Jahre schätzte. Allerdings konnten der magere Körper und ihre notdürftig zusammengestückelten Kleidungsstücke auch täuschen, was das Alter betraf. Das Mädchen drückte ein Bündel an sich, in dem Demy ein paar Habseligkeiten vermutete. Sie trat aus der Fensternische und sah, wie das Mädchen furchtsam zurückschreckte.
    »Keine Angst, Monika. Das ist Demy, von der ich dir erzählt habe.« Energisch schob Henny das Mädchen auf die Niederländerin zu. Seit dem Rittmeister die Kräfte fehlten, Henny auf ein Schäferstündchen zu sich zu befehlen, blühte das Dienstmädchen sichtlich auf und eine Energie, Fantasie und Eigeninitiative trat zutage, die Demy erstaunte, aber auch freute. Nur das düstere Grübeln, in das Henny gelegentlich verfiel, und die geballten Fäuste, wenn die Rede auf Meindorff kam, deuteten auf die Verletzung ihrer jungen Seele hin, die sie tief in sich vergrub.
    Demy fürchtete sich vor dem Tag, an dem all die unterdrückten Emotionen an die Oberfläche gespült werden würden, denn es war schwer einzuschätzen, wie es Henny dann gelingen würde, mit ihnen umzugehen. Immerhin kannte Demy die Schmerzen nur zu gut, die Menschen einander zuzufügen imstande waren. Sie hatte sich jedoch mit ihren heimlich ertrotzten Freiheiten ein Ventil geschaffen, um nicht an ihnen zu ersticken.
    »Schön, dich kennenzulernen«, begrüßte Demy das Mädchen und reichte ihm ihre Rechte. Monika wich ein Schritt nach hinten aus und drückte das Bündel in ihren Armen noch fester an sich.
    »Das ist Monika Lisrep. Ihr Kind ist ein halbes Jahr alt«, erklärte Henny und verdrehte, nur für Demy zu sehen, die Augen. Offenbar war an die junge Mutter nicht einfach heranzukommen.
    »Komm erst mal mit in die Küche, dort bekommst du etwas Warmes zu essen«, lud Demy Monika ein und deutete mit der Hand auf die Tür zum Arbeitsraum, über den man in den Anbau mit den Hauswirtschaftsräumen und den Zimmern für die Dienerschaft gelangte.
    »Sie nehmen mir mein Kleines aber nicht weg?«, fragte Monika mit unüberhörbarem Misstrauen in der rauchigen Stimme.
    »Weshalb sollte ich dir dein Kind wegnehmen wollen?«
    Monika lachte bitter auf und folgte ihr, dabei vergewisserte sie sich mit einem Seitenblick, ob Henny sie begleitete. In der Küche angekommen bat Demy das Dienstmädchen, sich zu ihrem Gast zu setzen, während sie eine Handvoll gekochter Kartoffeln in der Pfanne anbriet. Nach einem Blick auf die blasse Gesichtsfarbe und den erbärmlichen Zustand der jungen Mutter warf sie noch ein paar Würfel Speck dazu.
    Es dauerte nicht lange, und Henny gesellte sich zu Demy. Leise erklärte sie: »Ich habe Monika in der Nähe meines Elternhauses getroffen. Sie wollte bei einer Nachbarin durch das Fenster den zum Abkühlen auf dem Tisch liegenden Laib Brot stehlen. Viel konnte ich noch nicht aus ihr herausbekommen, aber es scheint, als habe ihre

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