Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
schrie Demy ihre Schwester an. Gleichzeitig glaubte sie, ihr Herz würde zerspringen.
»Du hättest sie ja nicht zu übernehmen brauchen, du dummes Ding.«
»Sollte ich Rika, Feddo und die anderen Menschen einfach ihrem Schicksal überlassen?«
»Du bist nicht für alles und jeden zuständig!«
»Nein?« Demy hatte das Gefühl, als habe jemand seine Hände um ihren Hals gelegt und drücke erbarmungslos zu. Tränen wollten ihr in die Augen steigen über so viel Ungerechtigkeit, aber sie schluckte sie hinunter und ballte die Hände zu Fäusten.
»Du hättest einfach Hannes heiraten können, Demy, dann würdest du jetzt in einem schmucken Haus wohnen und bräuchtest nur für eure Kinder verantwortlich zu sein. Oder du hättest längst Philippe ehelichen können. Der ist doch sehr erfolgreich in seiner Arbeit und wenn man den Gerüchten glaubt, ist er auch ein hervorragender Liebhaber! Aber du bleibst ja lieber die Unschuld vom Lande, ungeküsst und ungeliebt, und spielst die leidende Heldin.«
Demys Kopf fühlte sich eigentümlich leer an. Sie wollte sich gern verteidigen und Tilla mit Vorwürfen und Erklärungen überhäufen, war dazu jedoch nicht in der Lage. Zitternd und plötzlich maßlos erschöpft stand sie vor der Tür und hörte sich an, wie Tilla weitersprach: »Jeder muss seine eigenen Entscheidungen treffen und sein Leben so gestalten, wie er es für richtig hält. Du bist anscheinend gerne eine Märtyrerin. Darin wollte ich dich nicht stören. Und jetzt kommst du plötzlich und machst mir Vorschriften?«
»Ich habe dich bereits vor Jahren angefleht, nach Hause zurückkehren zu dürfen, und dich immer wieder um Hilfe gebeten, wenn ich Probleme mit dem Rittmeister und mit Joseph hatte. Und auch in jüngster Zeit, als hier alles zusammenbrach, habe ich mich an dich gewandt.«
Tilla schwieg und atmete schwer. Offenbar wurde sie von einer neuerlichen Welle der Übelkeit übermannt. Irgendwann schaute sie Demy direkt an. »Ich musste zusehen, dass ich mein Glück finde! Und du musst selbst schauen, wie du glücklich wirst.«
»Und ich dachte immer, du liebst mich«, flüsterte Demy und konnte die Tränen, die ihr in den Augen brannten, nicht länger aufhalten.
»Kleine, ich liebe dich doch auch. Du bist meine Schwester. Aber ich kann nur mein Leben leben, nicht auch noch deins oder das von Rika und Feddo. Ich habe für Anki und für dich getan, was ich tun konnte, und schließlich auch für Rika.«
Demy schüttelte wild den Kopf. Sie verstand Tilla nicht. Spielte sie darauf an, dass sie Anki und sie praktisch aus ihrem Zuhause vertrieben hatte? Was daran war eine Hilfe für sie gewesen? Oder für Rika? Sie und Feddo waren ihnen nach Berlin gefolgt, weil ihr Vater gestorben war und sie ihr Zuhause verloren hatten.
»Das Gespräch ist beendet, Demy. Geh zurück zu deinen Schützlingen, die du, aus welchem Grunde auch immer, in dieses Haus geschleppt hast.«
»Hast du gegen ihre Anwesenheit auch etwas einzuwenden?«
Ihre Schwester lachte spöttisch. »Du verstehst wirklich gar nichts! Ich finde ihre Anwesenheit großartig – vor allem die von Meindorffs Enkelinnen. Denkst du, er weiß nicht, dass sie hier sind?«
Demy, die das tatsächlich angenommen hatte, wurde es eiskalt. Wie hatte der Rittmeister erfahren, dass seine unerwünschten Enkeltöchter unter seinem Dach leben? Und warum duldete er ihre Anwesenheit und die der anderen Fremden dann hier?
»Ich habe es ihm gesagt, als er mal wieder schwach und hilflos in seinem Bett lag. Es war der reinste Genuss für mich, dabei sein Gesicht zu sehen!«
»Du bist grausam!«
»Nein«, erwiderte Tilla hart. » Ich musste ihm die Wahrheit sagen. Verstehst du das denn nicht? Er hätte die Kleinen und alle anderen aus dem Haus geworfen, sobald er auf anderem Wege von ihrer Anwesenheit erfahren hätte.«
»Und warum tat er das nicht, als er es von dir erfuhr?«
»Ich habe ihn in der Hand!«, entgegnete Tilla und schloss erschöpft die Augen.
»Du … du erpresst ihn? Womit?«
»Mit einigen anderen Informationen als denen, mit denen ich meinen geliebten Ehemann in Schach halte. In meinem Besitz befinden sich Unterlagen über geschäftliche Preisabsprachen konkurrierender Elektrowarenhersteller, die sehr brisant sind.«
»Wie bitte?«
»Demy, ich bin nicht so herzlos, wie du denkst. Ich liebe dich, Rika und Feddo. Was ich tat, tat ich auch für euch!«
Irritiert schüttelte Demy erneut den Kopf. »Ich verstehe es einfach nicht! Nichts von dem, was du
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