Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
sagst, ergibt für mich einen Sinn.«
»Eines Tages wirst du es durchschauen und mir dankbar sein.«
»Das hast du schon damals gesagt, als du mich gezwungen hast, mit dir nach Berlin zu ziehen. Was du mir damit für einen Gefallen erwiesen haben willst, begreife ich bis heute nicht.«
»Ich bin müde.« Tilla drehte ihr den Rücken zu, zog eine leichte Decke über ihre mageren Schultern und sprach kein Wort mehr.
Lange Zeit beobachtete Demy, wie sich die Decke mit ihren Atemzügen bewegte, dann griff sie nach der Türklinke. »Weißt du wenigstens, wer der Vater ist?«
»Natürlich. Der einzige Mann, der es geschafft hat, dass ich …« Tilla stockte. »Meinem Mann konnte ich mich nicht schenken. Dafür war zu viel in mir zerstört. Aber dieser Mann hat erreicht, dass …« Wieder hielt sie inne, konnte oder wollte nicht in Worte kleiden, was offenbar schwer zu erklären war. »Du hast ihn sicher kennengelernt. Martin Willmann.«
»Willmann? Der Ehemann der rosaroten Brigitte?«, stieß Demy entsetzt hervor und erntete ein belustigtes Kichern.
»Ich sehe, du erinnerst dich an ihn!«
Auf Demys Nase vertieften sich die Falten. Willmann hatte Joseph nie leiden können, und auch Tillas Ehemann empfand für den Mann nichts als Verachtung. Der Unternehmer mit dem Fechtschmiss auf der Wange war Demy als unsympathischer, großspuriger, aber ausgesprochen erfolgreicher Geschäftsmann mit exzellenten Beziehungen zum Kaiserhaus in Erinnerung geblieben.
»Hast du ihn dir ausgesucht, weil es Joseph tief treffen würde, wenn er von der Liaison zwischen dir und Willmann erführe?«
»Vielleicht.«
Demy riss die Tür auf und floh in den Flur, ohne sie wieder zu schließen. Ihr Kopf schwirrte, als habe sich darin ein Schwarm Hummeln verirrt. Ihre ohnehin schon schwankende Welt wurde erneut kräftig durchgeschüttelt, und sie wusste nicht, welche Gefühle momentan schwerer wogen: Verachtung, Verständnislosigkeit, Zorn oder ihre Zuneigung zu Tilla, die offenbar eine tiefe Wunde mit sich herumschleppte.
In ihrem Gefühlschaos gefangen stürmte sie die Stufen hinab, durch das große in das kleine Foyer und aus der offen stehenden Eingangstür hinaus. Wie ein gehetztes Reh sprang sie die Stufen hinunter – und prallte gegen einen Mann in Uniform. Dieser hielt sie fürsorglich fest, damit sie nicht stürzte. Erschrocken richtete sie sich auf.
Braune, besorgte Augen sahen sie an und Demy erkannte in dem Mann Hannes’ Trauzeugen Theodor.
»Offenbar komme ich zur rechten Zeit. Gibt es ein paar Wogen, die ich glätten kann?«, fragte er freundlich.
»Das wäre schön«, erwiderte Demy zerstreut.
»Dann erzählen Sie mir am besten, was geschehen ist, während wir durch den Garten spazieren.«
In diesem Moment tauchten Henny am Hauseck und Maria in der Tür auf. »Demy?«
Maria rang die Hände, was Demy auf neue Probleme schließen ließ. Erneut fühlte sie eine hilflose Schwäche in sich aufsteigen. Am liebsten hätte sie alles aufgegeben, sich als Rotkreuzschwester ausbilden lassen und so weit wie irgend möglich von Berlin entfernt in ein Feldlazarett schicken lassen. Noch während sie mit dem Gedanken spielte, kam Leni herbeigewirbelt, umklammerte ihre Beine und fragte sie nach einem guten Versteck. Zärtlich legte Demy eine Hand auf den blonden Haarschopf und riet der Kleinen, sich hinter der Treppe zu verbergen.
Dann straffte sie die Schultern. »Entschuldigen Sie bitte«, wandte sie sich an Theodor, der gelassen neben ihr gewartet hatte, bis sie ihm wieder ihre Aufmerksamkeit schenkte. »Henny begleitet Sie in den Garten zu den Sitzgelegenheiten. Ich komme nach.«
»Wissen die Meindorffs eigentlich, was sie an Ihnen haben?«, raunte Theodor ihr zu, drückte ihr kurz die Hand und gesellte sich dann zu Henny, mit der er wie mit seinesgleichen zu plaudern begann.
Demy blickte ihnen nach. Theodor sah sich offensichtlich trotz seiner Erfolge und seiner raschen Karriere innerhalb des Militärs noch immer als den einfachen Mann, der er einmal gewesen war.
»Demy!« Marias Ruf ließ sie die Stufen hinauf bis zur Tür hasten, wobei sie der hinter der gewaltigen Steintreppe kauernden Lina verschwörerisch zuzwinkerte.
Die Haushälterin zog sie an der Hand ins Vorfoyer. »Dem Rittmeister geht es nicht gut. Er war seit gestern nicht mehr auf, tobt aber, wenn ich sein Zimmer betreten möchte. Er hat auch Bruno fortgeschickt, den Einzigen, den er überhaupt noch zu sich vorlässt.«
»Soll ich den Arzt rufen?«
Maria hob
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