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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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stellen. Dafür war der Stolz der Fürstin auf ihre Herkunft, ihre Familie und die damit verbundenen Traditionen zu ausgeprägt.
    Erfolg versprechender erschien es Anki, sich der mutterlosen, in der Gesellschaft herumgereichten Raisa anzunehmen, ihr Liebe und Verständnis zu schenken, verbunden mit der Hoffnung, beides auch in ihr zutage zu fördern.
    Die Tür zu Ninas Zimmer sprang auf, und das Mädchen stieß einen Freudenschrei aus. Ihr Vater war eigens zu ihrem Geburtstag angereist! Gleich einem gelben Schmetterling flog sie dem stattlichen Mann entgegen, der sie auffing und wild durch die Luft wirbelte.
    Anki zog sich lächelnd an ein Fenster zurück. Für Nina war die Anwesenheit ihres Vaters besonders wichtig, da sie mehr an ihm hing als Jelena und Katja. Die enge Vater-Tochter-Beziehung lag vermutlich darin begründet, dass Fürst Chabenski in Ninas ersten Lebensjahren noch in St. Peterburg stationiert gewesen war und viel Zeit mit seiner Tochter verbringen konnte. Für Jelena und besonders für die erst achtjährige Katja war seine Zeit deutlich knapper bemessen gewesen, da ihn erst der Russisch-Japanische Krieg und dann eine anschließende Verlegung seines Regiments von der Familie getrennt hatten.
    Durch den fröhlichen Lärm angelockt erschien auch Fürstin Chabenski in der Tür. Nina nahm die Glückwünsche ihrer Mutter höflich entgegen, wobei ihre Blicke immer wieder zu ihrem Vater wanderten. Das Geburtstagskind würde wohl bis zum frühen Nachmittag, wenn ihre geladenen Gäste eintrafen, nicht von seiner Seite weichen.
    Kinderstimmen drangen fordernd vom Speisesaal bis in den ersten Stock hinauf. Jelena und Katja wollten ebenfalls gratulieren und endlich das gemeinsame Frühstück einnehmen.
    »Schnell, meine Lieben. Nicht dass uns unsere beiden jungen Damen verhungern!« Fürst Chabenski legte einen Arm um Ninas Schulter, hakte sich bei seiner Frau unter, und die drei eilten zu den ungeduldig wartenden Mädchen.
    Da sie bereits frühmorgens eine Mahlzeit eingenommen hatte, verließ Anki unverzüglich das Haus und eilte in Richtung Nevskij Prospekt. Die Augusttage brachten der Stadt im Norden warme Sonnenstrahlen und einen prachtvollen blauen Himmel, aber auch die in diesem Jahr durch die Straßen marschierenden Soldaten.
    Anki war sich durchaus bewusst, dass mittlerweile viele deutschstämmige Bürger die Stadt und das Land verließen und spazierte längst nicht mehr so entspannt wie noch einige Wochen zuvor an der Mojka entlang in Richtung Prachtstraße. Natürlich sah man ihr nicht an, dass sie eine deutsche Mutter hatte, und ihr holländischer Pass mochte ein Schutzschild für sie sein, doch in den meisten Adelshäusern war sie nun mal als »das deutsche Kindermädchen der Chabenskis« bekannt. Bereits während der verwirrenden diplomatischen Kontroversen vor Kriegsausbruch war sie mit misstrauischen Blicken bedacht worden. Überall wurde Spionage und Verrat gewittert.
    Obwohl ihr in diesem Rajon 8 jede Straße, jedes Haus und jeder Kanal bestens vertraut war, bog sie dieses Mal verunsichert auf den Boulevard ein, passierte zügig den wunderschönen, elisabethanisch-barocken Stroganow-Palast und tauchte in die Welt der Kunst- und Antiquitätengeschäfte, der Juweliere, Parfümerien, Modehäuser, Konditoreien und Restaurants ein, bis sie endlich das 1904 von dem Nähmaschinenfabrikanten Singer errichtete Haus an der Ecke zum Gribojedow-Kanal erreichte. Nachdenklich blickte sie an den dekorativen Fenstern und schmiedeeisernen Balkonen entlang zu der hohen Kuppel. Dort oben thronte ein aus Glas gestalteter, von Nymphen gehaltener Globus.
    In der Stadt erzählte man sich, Singer habe ursprünglich ein elfstöckiges Haus erbauen lassen wollen, sei aber an dem Gesetz gescheitert, das besagte, dass kein Gebäude St. Petersburgs höher als der Winterpalast des Zaren sein durfte. Schließlich hatte der trickreiche Architekt Pawel Sjusor eine Kuppel an einer Ecke des Hauses errichtet und war damit doch über die eigentlich verbotene Höhe hinausgekommen.
    Ob die Menschen in St. Petersburg sich auch mit der Entschuldigung austricksen ließen, dass ihr langjähriger Aufenthalt in der Stadt ihr Bleiben rechtfertigte? Würden sie ihre Anwesenheit weiterhin akzeptieren? Immerhin wusste Anki von einigen rüden Übergriffen auf deutsche Geschäftsleute. Diese waren es auch, die innerhalb weniger Tage, oft innerhalb von Stunden, entschieden hatten, ihre Geschäfte und Fabriken im Stich zu lassen und in das Deutsche

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