Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
Vom Netzwerk:
Kaiserreich zurückzukehren.
    Anki hatte ebenfalls mit dem Gedanken gespielt, ihre wunderbare Stellung aufzugeben und Russland den Rücken zu kehren, aber sie war im Gegensatz zu ihrer jüngeren Halbschwester Demy kein bisschen abenteuerlustig. Fürst Chabenski und seine Frau hatten ihr versichert, dass sie ihre schützende Hand über sie halten würden. Niemand dürfe es wagen, gegen eine ihrer Angestellten zu agieren, gleichgültig, welcher Nation sie entstammte. Immerhin fand sich im Ahnenregister der Fürstin der eine oder andere deutsche Name.
    Eigentlich wollte Anki sich eher auf die schützende Hand Gottes verlassen, sie konnte aber nicht umhin, die Zusage der Chabenskis als sehr beruhigend zu empfinden. Die Entscheidung zu bleiben war ihr letztlich leichtgefallen. Es existierte kein Ort mehr, an den sie zurückkehren konnte. Ihr Zuhause in den Niederlanden gab es nicht mehr, und der Ehemann ihrer Schwester Tilla, Joseph Meindorff, war ihr bei dem einzigen Besuch des Ehepaars hier in St. Petersburg zutiefst unsympathisch gewesen. Zudem beherbergten die Meindorffs seit dem Tod von Eric van Campen neben Demy, die eine etwas ungewöhnliche Stellung im Haushalt der Meindorffs innehatte, auch noch Rika und Feddo, Ankis jüngere Halbgeschwister. Sie durfte der Familie Meindorff nicht auch noch zur Last fallen, auch nicht für die Dauer der Zeit, die sie bräuchte, um eine Anstellung als Erzieherin zu finden.
    Von dem durchdringenden Knallen kräftig aufgesetzter Stiefel aufgeschreckt drehte sie sich um und flüchtete an das Geländer der Brücke, auf der sie unterdessen angekommen war. Eine Brigade Soldaten in unscheinbaren Uniformen, mit Sturmgepäck, aber nicht vollständig bewaffnet, da sich die Rüstungsbetriebe mit der Produktion von Schusswaffen im Rückstand befanden, marschierte donnernden Schritts an ihr vorbei, die Augen starr geradeaus gerichtet, als sähen sie dort bereits die feindlichen Truppen.
    Nachdem der letzte Mann vorüber war, der Staub sich allmählich legte und das Aufstampfen der Männerstiefel zwischen den Häuserschluchten verklang, entdeckte sie vor einem Café ihre Freundin Ljudmila Zoraw.
    »Du bist spät«, rügte Ljudmila, begrüßte sie aber dennoch mit einer herzlichen Umarmung.
    »Entschuldige bitte. Nina war heute sehr aufgeregt!«
    »Das kann ich mir vorstellen«, lachte Ljudmila und hakte sich bei ihr unter. »Wie wird sie erst an ihrem achtzehnten Geburtstag sein?«
    »Bis dahin bin ich vermutlich nicht mehr die Njanja der Chabenski-Mädchen.«
    »Nein, sondern eine verheiratete Frau mit eigenen Kindern, nicht?«, zog Ljudmila sie auf.
    Gemeinsam überquerten sie den von Soldaten, Kutschen, Pferden und vereinzelten Automobilen bevölkerten Boulevard und näherten sich dem Gostinyj Dvor. Die weiße Balustrade auf dem Flachdach hob sich in der Frühlingssonne scharf von der gelben Fassade ab, ebenso wie die weißen Umrahmungen der oben abgerundeten Fensterdurchlässe, die weißen Arkadeneinfassungen und die vier gewaltigen runden Säulen im Eingangsbereich.
    Stimmengewirr und der Duft vielfältiger Waren begrüßten die beiden Frauen beim Betreten des sich über die Länge von einem Kilometer und zwei Stockwerke erstreckenden Warenhauses, das im Grunde ein gesamtes Wohnviertel für sich beanspruchte. Das exorbitant große Kaufhaus beherbergte eine unfassbare Anzahl an Marktständen. Die Budenreihen waren zwar nach den dort feilgebotenen Waren sortiert, jedoch verlor Anki sich regelmäßig in der Unübersichtlichkeit des Gebäudes.
    Ljudmila hingegen liebte die laute Menschenmenge, die bunten Stände, die ihre Waren anpreisenden Kaufleute und Krämer. Bei Anki rief diese Vorliebe den Verdacht hervor, ihre Freundin, eine Hofdame der älteren Romanow-Töchter, benötige den Lärmpegel und das quirlige Durcheinander als Kontrast zu dem beschaulichen Leben mit der Zarenfamilie in den endlosen Gängen und weitflächigen Räumen der Paläste.
    Nach rund einer Stunde wurde Anki das Gefühl nicht los, dass ihnen jemand folgte. In dieser Menschenmenge war das ein abwegiger Eindruck, dennoch betrachtete sie misstrauisch einen kleinen, drahtigen Mann mit einem grauen Hut, der ihr inzwischen mehrmals aufgefallen war. Ob dieser Kerl von der adeligen Familie Zoraw als unauffälliger Beschützer für Ljudmila abgestellt worden war?
    Ihre Freundin blühte sichtlich auf. Gerötete Wangen schmückten ihr ansonsten so vornehm blasses Gesicht. Nachdem ein athletisch gebauter Russe mit wucherndem Bart

Weitere Kostenlose Bücher