Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
an ihr vorbeigehen, aber Maria legte für einen Moment ihre Hand auf seinen Arm. Höflich blieb er stehen.
»Ich möchte Ihnen danken, dass Sie Fräulein Demy wohlbehalten zurückgebracht haben. Außer Feddo und Rika hat sich in diesem Haus kein Mensch um ihr Ausbleiben gesorgt. So eigenartig es vielleicht klingen mag, aber sie ist unser Sonnenschein. Sie hat nicht nur ihren jüngeren Geschwistern gefehlt, um die sie sich hingebungsvoll kümmert, sondern auch den meisten Angestellten, insbesondere Henny und mir.«
»Dann ist es also von Vorteil, wenn ich dafür Sorge trage, dass Sie Ihnen lange erhalten bleibt?«, erkundigte er sich, zwinkerte ihr zu und verließ mit schnellen Schritten die feudale Halle. Erst als er auf der geschwungenen Freitreppe anlangte, stellte er sich die Frage, seit wann die ehrenwerte, langjährige Haushälterin der Meindorffs wohl an Türen lauschte.
11 Groß-Lichterfelde war von 1878 bis 1920 Königliche Preußische Hauptkadettenanstalt.
12 Trockenwüste an der Westküste Afrikas (Namibia und Angola). Übersetzt: Leerer Platz bzw. Ort, wo nichts ist.
Kapitel 12
St. Petersburg, Russland,
August 1914
Eine ausgelassene Kinderschar füllte den mit bunten Papiergirlanden und Lampions geschmückten Ballsaal im Chabenski-Haus. Die an einer Längswand eingelassenen goldumrandeten und bis zur Decke hinaufreichenden Spiegel ließen die Anzahl der quirligen Gäste noch weitaus größer erscheinen, aber auch mit den tatsächlich anwesenden Sprösslingen der Aristokratie St. Petersburgs waren Fürstin Chabenski, Marfa und Anki vollauf beschäftigt.
Nadezhda, die hinter dem Getränkebüfett stand und den Wünschen der adeligen Gäste nachkam, zuckte zusammen, als schon wieder ein Glas geräuschvoll auf dem frisch polierten, wertvollen Holzboden aufschlug und in tausend Scherben zersprang. Vermutlich sah sie sich bereits mit Poliermittel und Tuch ausgestattet auf den Knien herumkriechen, in dem verzweifelten Versuch, die Macken auf dem mehrfarbigen Parkett zu kaschieren.
Anki, in einem weinroten Kleid festlich zurechtgemacht, bat zwei allzu vorwitzige Mädchen, sich von der Unfallstelle fernzuhalten und trug die elfjährige Verursacherin aus dem Scherbenmeer heraus. Eilfertig näherte sich Jakow und beseitigte mit der ihm eigenen Ruhe sowohl die Scherben als auch die Spuren der klebrigen Limonade, bevor er sich schleunigst wieder zurückzog. Kaum dass er die eine der vier Flügeltüren hinter sich geschlossen hatte, vernahm das Kindermädchen Raisas nörgelnde Stimme: »Wann finden diese Spiele ein Ende? Sie sind albern und werden uns nicht gerecht!«
Das Geburtstagskind, das mit vor Aufregung und Freude blitzenden Augen und geröteten Wangen wunderhübsch aussah, blieb bei ihrer älteren Freundin stehen und sah sie einen Augenblick verständnislos an. Plötzlich veränderte sich Ninas Mimik. Mit einem Mal erschienen auch ihr die fröhlichen Wett- und Gesellschaftsspiele nicht mehr angemessen. Ihre jungen Gesichtszüge verhärteten sich spöttisch, als zwei ihrer Gäste in ihren Wettkampf vertieft an ihr und Raisa vorbeistürmten und dabei fröhlich kicherten.
»Gibt es keine Musiker, die zum Tanz aufspielen? Bist du noch ein Kleinkind, das dumme Spiele dem gesellschaftlichen Leben vorzieht?«
Anki hatte genug von den hochmütigen, fast bedrohlichen Worten Raisas, die ihren Schützling unter Druck zu setzen versuchte. Sie trat zu den Mädchen und legte Nina ihre Hand auf die Schulter. »Habt ihr einen Wunsch? Sollen wir etwas anderes machen?«
Die Chabenski-Tochter wand sich sichtlich. Erst ein paar Minuten zuvor hatte sie ihre Njanja begeistert umarmt und ihr zugeraunt, wie herrlich ihr Geburtstagsfest sei. Ohne eine Antwort abzuwarten führte Anki Nina zu den Sitzgelegenheiten. Raisa musste ihnen zwangsläufig folgen, wenn sie nicht allein zurückbleiben wollte. Die Mädchen setzten sich auf eine mit einem goldenen Brokatstoff mit Blumenmuster bezogene Bank, während Anki auf einem Hocker Platz nahm.
»Weshalb gibt es keinen Tanz?«, platzte Raisa in herablassendem, vorwurfsvollem Tonfall heraus,
»Es gibt keinen Ball, Raisa Wladimirowna, da es sich bei diesem Fest um den Geburtstag einer dreizehnjährigen Prinzessin handelt«, erwiderte Anki kühl.
»An meinem dreizehnten Geburtstag gab es Musik und Tanz.«
Anki unterdrückte ein Seufzen. Vermutlich lag das nicht angemessene Tanzfest in dem Umstand begründet, dass Raisas Vater selten etwas gegen die überzogenen Wünsche seiner
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