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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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der belgischen Bauern zu vergreifen. Die Armee hatte durch diese Art der Essenbeschaffung unzählige Pferde und auch Soldaten durch Koliken und Vergiftungen verloren. Inzwischen waren die Äcker und Obstbäume abgeerntet, verwüstet oder geplündert.
    Die Taxis blieben unter seinen Männern das größte Gesprächsthema. Vermutlich tat es ihnen gut, über einen amüsanten Streich zu sprechen, selbst wenn dieser dem Gegner gelungen war. Hannes hingegen fragte sich, ob diese ungewöhnliche Nachschubbeförderung der Grund für Kluck gewesen war, die 1. Armee entgegen des Schlieffen-Plans erneut umschwenken zu lassen. Wie ein Melder ihm vor ein paar Minuten mitgeteilt hatte, hatte die 2. Armee den Kontakt zur 1. vollständig verloren. Somit lag ihr rechter Flügel gefährlich offen da. Sobald die Franzosen dies von ihren Aufklärungsfliegern gemeldet bekamen, würden sie versuchen, einen Keil zwischen diese beiden Armeeteile zu treiben.
    Hannes nahm seine Schirmmütze ab, kratzte sich am Kopf, setzte die Kopfbedeckung wieder auf und warf einen Blick auf seine Männer, die sich in einem Bauernhaus am Rande eines winzigen besetzten Dorfes ausruhten. Stühle und Tische waren an die Wand geschoben, vom Ofenrohr, über eine primitive Deckenlampe bis zu einem Fenster verlief eine Wäscheleine, auf der Unterwäsche und Uniformteile trockneten. Die kreuz und quer neben der Tür liegenden Stiefel verströmten einen üblen Geruch. Dennoch versuchte Hannes sich auf seine Überlegungen zu konzentrieren. Die französischen Befehlshaber waren nicht dumm. Die breite Lücke zwischen ihrer 2. und der 1. Armee könnte für sie alle schlimm enden, vielleicht sogar für die gesamten Kriegsbemühungen des Deutschen Reiches.
    Unwillig runzelte Hannes die Stirn. Er war nicht gewillt aufzugeben. Nicht so! Nicht mit einer so schmählichen Niederlage! Nicht ohne sich und anderen sein Können bewiesen zu haben!
    Ob sie sich alle zu wenig angestrengt hatten? Sähe die Lage besser aus, wenn sie aggressiver auf den Feind losgegangen wären? Womöglich rührte die gefährliche Situation, in der sie sich nun befanden, aber vielmehr daher, dass die drei Befehlshaber der 1., 2. und 3. Armee – Kluck, Bülow und Hausen – nicht gut aufeinander zu sprechen waren und ihre Kommunikation dementsprechend mager ausfiel. Hinzu kam, dass die Armeen frühzeitig den Kontakt zur Kavallerie, ihren »Augen«, verloren hatten. Dankenswerterweise waren die Piloten in ihren Beobachterflugzeugen in die Bresche gesprungen. Es fehlte zudem an Fachleuten, die die zerstörten Telefon- und Funkverbindungen ebenso wie die Schienenwege wieder auf Vordermann brachten.
    Der rasante Vormarsch der Deutschen mochte die Belgier und Franzosen überrascht haben, doch jetzt hingen die deutschen Armeen ohne Kontakt und Nachschub und deshalb unbeweglich fest.
    Der Lärm vom Frontabschnitt nahm an Intensität zu. Die Artillerien der Franzosen und Engländer beharkten sich mit der der Deutschen. Der wachsende Geräuschpegel verbreitete zunehmende Unruhe unter seinen Männern. Gemurmel erhob sich. Diejenigen, die sich hingelegt hatten, regten sich, manch einer richtete sich auf seinem provisorischen Lager auf. Obwohl die Soldaten schon seit etwa sechs Wochen im Feld standen, gelang es ihnen noch immer nicht, in ihren Ruhestellungen tief zu schlafen, zumal das Kampfgeschehen ihnen an diesem Tag bedenklich nahe rückte. Bei jeder Detonation eines feindlichen Geschosses klirrte das schmutzige Geschirr auf dem Tisch und feiner Staub rieselte von den roh gezimmerten Deckenbalken auf sie herunter. Befürchteten seine Männer eine erneute Rückwärtsverschiebung des Kampfabschnitts in Richtung ihrer Ruhestellung? Hannes konnte ihnen diese Überlegungen nicht verübeln. Sein in den letzten beiden Wochen zaghaft erwachtes Verantwortungsgefühl für die ihm noch verbliebenen Soldaten ließ ihn schließlich aufstehen. Bubi hob fragend den Kopf, aber nachdem Hannes ihn vor dem gesamten Zug zusammengestaucht hatte, dass er sehr wohl zum Pissen gehen könne, ohne dass er zuvor die zusammengeschlagenen Hacken und den militärischen Gruß von Bubi bräuchte, hatte er begriffen, dass er nicht bei jeder Regung von Hannes aufspringen musste.
    »Waldmann?«
    Der Feldwebel, der Hannes nach Tassas Tod zugewiesen worden war, erhob sich und trat zu ihm. Unter jedem seiner Schritte knarrten die Dielenbretter protestierend. Der bärtige Ostpreuße mit der Gemütsruhe eines Ochsen und einer durchaus vergleichbaren

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