Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
beruhigt«, flüsterte sie. »Dr. Busch scheint mir ein ernsthafter, hart arbeitender, zuverlässiger Mann zu sein. Zudem ist er sehr charmant.« Die Fürstin lächelte und blickte dabei an Anki vorbei auf ein Gemälde, das ihren Ehemann in jungen Jahren zeigte.
»Das ist er, Hoheit«, pflichtete Anki ihr zaghaft bei.
»Sie haben ihn doch gern, oder etwa nicht?«
»Doch, Hoheit«, stotterte Anki. Es stimmte sie verlegen, eine derart persönliche Angelegenheit mit ihrer Arbeitgeberin zu besprechen.
Der Fürstin gefielen die Unterhaltung und die Tatsache, dass sich ihre Njanja verliebt hatte, hingegen sichtlich. »Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre große Liebe finden, Fräulein Anki, so wie ich die meine fand, selbst wenn wir Sie dann in absehbarer Zeit an diesen Mann verlieren werden. Und Jelena wird sicher einen anderen Ehrenmann kennenlernen, für den sie sich erwärmen kann.« Fürstin Chabenskis Schmunzeln vertiefte sich. »Nun laufen Sie schon und schauen Sie nicht so ängstlich drein. Würde ich diesem Mann nicht vertrauen, hätte ich ihm das Treffen mit Ihnen untersagt. Meine Güte, sehen Sie mich nur an, ich bin ja fast so aufgeregt wie Sie!«
Anki lachte auf. Sie ließ die Schürze in den Händen der Fürstin und eilte, den weißen Herbstrock hochgerafft, den Flur entlang und zur offen stehenden Tür hinaus.
Sie entdeckte Robert im Schatten einer Linde. Er blickte zu dem Tannenwäldchen hinüber, das an dieser Seite das weitläufige Grundstück der Chabenskis vom benachbarten Sommerhaus eines anderen Petrograder Adeligen trennte. In seiner linken Hand hielt er einen einzelnen Zweig weiß blühenden Sommerflieders.
Anki lächelte und spürte, wie ihr Herz förmlich Kapriolen schlug. Obwohl sie leise auftrat, wurde Robert auf sie aufmerksam. Er drehte sich um, und als er sie erblickte, breitete sich sein typisches Lächeln auf seinem Gesicht aus. Mit gelassen wirkenden Schritten kam er auf sie zu, verbeugte sich knapp und reichte ihr den Fliederzweig.
»Als Entschuldigung dafür, dass ich Sie so lange habe warten lassen. Dem Zarewitsch fehlte nichts, doch Dr. Botkin brauchte mich in Petrograd für seine Forschungen. Also musste ich meine Verabredung mit Ihnen leider um ein paar Tage verschieben.«
Sorgsam darum bemüht, nicht seine Hand mit ihren Fingern zu berühren, nahm Anki den Zweig an sich. Sie hob einen der Blütenstände vor ihr Gesicht und atmete den zarten Duft ein, den die weißen Blüten verströmten. »Vielen Dank! Die sind wunderschön, obwohl sich ihre Blütezeit dem Ende entgegenneigen dürfte.«
»Diese Blüten haben sich eigens dafür aufgehoben, um einer wunderschönen, hinreißenden Dame geschenkt zu werden.«
Anki errötete, schenkte dem Mann aber ein schüchternes Lächeln. Seine Worte erzeugten einen wahren Sturm an Emotionen in ihr. So viel Aufregung vertrug sie nicht besonders gut, obwohl sie sich betörend prickelnd anfühlte.
»Fürstin Chabenski schlug vor, dass Sie mir den reizvollen Park zeigen könnten.«
Nun fiel Ankis Lächeln belustigt aus. Sie war ihrer Arbeitgeberin dankbar für diesen Vorschlag und den Schalk, der dahintersteckte, wenngleich Robert diesen noch nicht erkannte. Sofort fühlte sie sich leichter. Sie deutete mit ihrer freien Hand einladend auf das Grundstück, das an einer Seite von Tannen und an den anderen drei von einer gewaltigen Buchsbaumhecke umgeben war. Unter ihren Schuhen knirschten die nach dem Regenguss in der vergangenen Nacht noch feucht glänzenden Kieselsteine.
»Ich hörte, dass es dem kleinen Alexej wieder gut geht. Seine Majestät ist dann doch wie geplant zu einem Besuch in ein Militärlager abgereist, nicht wahr?«
»Die Verpflichtung als Herrscher Russlands verlangt dem Zaren große Opfer ab. Ich denke oft bei mir, dass die Romanows, die sich mit so viel Hingabe und Liebe umeinander kümmern, so viel glücklicher wären, wenn sie einer einfachen Familie entstammten, ohne Protokoll, politische Verantwortung oder staatsmännische Pflichten.«
»Ob Zariza Alexandra, Zar Nikolaj oder die Kinder sich nach so einem unkomplizierten Leben sehnen?« Auf Ankis zaghaft gestellte Frage schwieg Robert, allerdings deutete sie sein nachdenkliches Nicken als vage Zustimmung. Sie fuhr fort: »Wie paradox das doch ist. Diese Familie wäre vermutlich mit einem einfachen Leben glücklicher. Währenddessen sehen viele Bürger Russlands genau in dieser Einfachheit ein aufgezwungenes Schicksal. Sie sind unglücklich und wünschen sich den Reichtum,
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