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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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zurückgezogen?
    Unsicher schaute das Kindermädchen sich um. Niemand war zu sehen, den sie hätte fragen können, ob sie das umzäunte Grundstück betreten durfte.
    »Ludatschka?«, rief Anki halblaut über den Zaun, erhielt jedoch keine Antwort. Nochmals blickte sie sich nach allen Seiten um, ehe sie kurzerhand ihren feuchten Rock anhob, auf einen Baumstumpf kletterte und über die Palisade sprang. Sie landete unglücklich in dem von Sträuchern, heruntergefallenen Ästen und Wurzeln bedeckten Boden und stürzte beinahe in den Zufluss zum Teich. Gerade noch rechtzeitig umfing sie mit beiden Armen einen knorrigen Baumstamm, dessen raue, stellenweise aufgeplatzte Rinde ihr die Arme und das Gesicht zerkratzte.
    Mit einem unwilligen Seufzer ordnete sie eilig ihre Kleidung und schalt sich selbst: »Ich verhalte mich schon wie Demy!«
    Nachdem sie sich prüfend umgesehen und festgestellt hatte, dass niemandem ihr Eindringen aufgefallen war, stapfte sie durch das Unterholz zu einem schmalen Fußpfad. Das Laub unter ihren Schuhen raschelte laut. Ein paar Steinstufen führten zu einer Anlegestelle, auf der zwei Steinquader rund einen Meter in die Höhe ragten und sich im Teichwasser spiegelten. Ihre Pendants befanden sich am gegenüberliegenden Ufer auf der Kinderinsel . Hinter der Anlegestelle auf der Insel und überschattet von Bäumen versteckte sich ein in Weiß und Mint gehaltenes Gebäude, das der Zarenfamilie vermutlich als Gartenlaube diente.
    Anki presste die Lippen zusammen. Das Ruderboot, mit dem man, wie sie annahm, auch vorn an der Schleuse auf den Kanal gelangte, lag auf ihrer Teichseite. Es war mit einem derben Tau an dem rechten Steinquader festgebunden. Demnach hatte Ljudmila nicht auf die Insel übergesetzt.
    Verhalten, da sie nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen wollte, rief sie den Namen der Freundin, erhielt aber keine Antwort. Hatte sie sich geirrt und den weißen Anstrich des Gebäudes zwischen den Baumstämmen und dem bunten Laub für Ljudmilas Kleid gehalten?
    Zögernd und zunehmend von Sorge um ihre Freundin ergriffen ging sie ein paar Schritte den Fußpfad entlang. Als sie einen Schuhabdruck im morastigen Boden entdeckte, eilte sie zwischen den Bäumen, Sträuchern und Blumen hindurch, bis der Pfad sie zurück an den Teich führte. Hohes Schilf begrenzte an dieser Seite das Ufer.
    Anki trat ans Wasser und schrak zurück, als einige Mandarinenten flügelschlagend und laut schnatternd flüchteten, als schimpften sie über ihr unerlaubtes Eindringen. Eine Bewegung am äußersten Rand des Schilfgürtels ließ Ankis galoppierenden Herzschlag nicht zur Ruhe kommen. Sie verließ den Pfad und folgte den frischen Schuhabdrücken, bis sie in einer Lücke im Schilf Ljudmila entdeckte. Diese hockte zusammengekauert auf einem umgestürzten Baumstamm, dessen blätterlose Äste weit in den Teich hineinragten. Zuerst glaubte Anki, Ljudmila betrachte missmutig ihre verdreckten Schuhe, doch als ihre Freundin den Kopf hob, glänzte ihr Gesicht tränennass.
    »Geht es ihm gut?«, brachte Ljudmila mühsam hervor.
    »Alexej Nikolajewitsch? Ich weiß nicht. Als ich losging, um dich zu suchen, trafen gerade Dr. Botkin, Dr. Derevenko und Dr. Busch ein.«
    »Er wird mit ihnen streiten!«
    »Wer? Dr. Botkin?«
    »Grigori.«
    »Rasputin streitet mit … mit …?« Anki stotterte bei der Vorstellung, dass dieser ungehobelte Mann mit den Ärzten und dem Zaren stritt. »Ludatschka, Rasputin ist nicht hier. Der Zar hat ihn bereits vor Wochen aus Petrograd verbannt.«
    »Jetzt wird es ihm leidtun.«
    »Wegen des Zarewitsch?«
    Ljudmila blieb ihr eine Antwort schuldig. Da ihr Kostüm ohnehin verdreckt war, hob Anki ihren Rock an und setzte sich neben die Freundin auf den mit Moos bewachsenen Baumstamm. Deutlich spürte sie Ljudmilas Zittern und legte fürsorglich einen Arm um sie.
    »Hast du gehört, was ich gesagt habe? Rasputin kommt nicht her. Du brauchst dich also vor einer Begegnung mit ihm nicht zu fürchten.«
    »Ja?« Ljudmilas Zittern verstärkte sich. Dann stieß sie plötzlich hervor: »Er ist immer da. Immer! Ich werde ihn nicht los! Niemals wieder!« Die letzten Worte schrie Ljudmila förmlich heraus.
    Entsetzt drückte Anki die Freundin an sich. Wenn sie sich doch wenigstens erinnern könnte – vielleicht wäre das eine Hilfe. Womöglich bedeuteten Ljudmilas Gedächtnislücken aber auch einen Schutz für ihre Seele, weil sie Grausames gesehen und erlebt hatte.
    »Überall dieses Blut«, flüsterte Ljudmila.
    Anki

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