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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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es Krieg gibt. Ihr Männer könnt es wohl gar nicht erwarten, in die Gewehre der anderen hineinzulaufen!«
    »Das verstehst du nicht, Felicia. Wenn die anderen an der Front sind, kann ich nicht hinter meinen Lehrbüchern sitzen!«
    »Doch, kannst du. Und jetzt hör auf mit dem Gerede, oder ich werf dich ins Wasser, damit du wieder einen klaren Kopf bekommst. Was meinst du denn«, sie sah zu ihm hin und lächelte, »was meinst du denn, was aus uns Mädchen werden soll wenn ihr Männer euch alle auf und davon macht? Das Leben wird ja sterbenslangweilig!«
    Benjamin richtete sich auf. Sein Gesicht nahm einen gespannten Ausdruck an. »Meinst du das wirklich so?« fragte er. Felicia pflückte eine leuchtendrote Mohnblume und reichte sie ihm. »Natürlich«, sagte sie, »ich wäre untröstlich, wenn du mich auch noch im Stich ließest. Dann könnte ich wirklich gleich nach Berlin zurückfahren.«
    »Felicia...« Er griff nach ihrer Hand.
    Sie lachte verlegen. »Was ist? Warum denn so feierlich auf einmal?«
    »Ich weiß nicht...« Er sah sie nicht an. »...kann sein, ich habe mich in dich verliebt, vor langer Zeit schon.«
    »Oh...« Felicia wußte nicht gleich, was sie darauf erwidern sollte. Sie blickte auf den glitzernden See, das Erlengestrüpp am Ufer.
    Auf den rotbraunen Stämmen der Kiefern lag warm die Sonne, und irgendwo sang eine Amsel.
    Er ist so ein netter Junge, dachte sie. Sie wollte ihn nicht kränken; außerdem gefiel ihr die Situation. Ihr Herz schlug ruhig, ihre Hände blieben kühl, aber sie bemerkte, daß Benjamin der Schweiß auf die Stirn trat. Ungeduldig dachte sie: O Gott, das geht ihm aber etwas zu nah!
    »Ich hoffe, du bist nicht verärgert?« fragte Benjamin schließlich.
    Felicia unterdrückte ein Lächeln. »Nein. Das kommt nur alles ein bißchen überraschend.«
    »Dann hast du nie etwas gemerkt?«
    »Nein... ich glaube, eigentlich nicht...«
    »Ich habe mich nie getraut, es dir zu sagen, Felicia. Wahrscheinlich hätte ich mich jetzt auch nicht getraut, wenn es nicht vielleicht Krieg gäbe...« Benjamin betrachtete das zarte Gesicht, das ihm seit frühester Kindheit vertraut war, die schönen blaßgrauen Augen, deren Unergründlichkeit ihn heute zum ersten Mal nicht verunsicherte. Sie sah sehr sanft aus, und er kannte sie nicht genug, um zu wissen, daß sie immer sanft aussah, wenn sie ihre wirklichen Gedanken und Gefühle verbergen wollte. Sie neigte sich etwas vor, so daß er ihren Geruch von sonnenwarmer Haut und Parfüm wahrnehmen konnte. Er griff nach einer ihrer langen Haarsträhnen und ließ sie sacht durch seine Finger gleiten. Er verstand nicht, wie es geschehen war, daß sie einander plötzlich so nah waren. Niemals hatte ihn ihr Atem so dicht gestreift, nie waren ihm ihre Lippen so erwartungsvoll erschienen. Staunend beobachtete er, wie sich ihr Gesichtsausdruck veränderte, ehe er sie küßte, wie er fremd und abwesend wurde.
    Sie ist gar nicht da, dachte er flüchtig, aber diese Erkenntnis drang nicht bis in sein Bewußtsein durch.
    Seine Hand umfaßte ihren Arm, mit der anderen fühlte er ihren Herzschlag unter dem dünnen Stoff ihres Kleides. Irgendwo schrien schrill zwei Finken, eine Flugente hob sichaus dem Schilf am Seeufer. Ihre Flügel zerteilten laut schlagend die Luft. Felicia wich zurück. »Ich hatte eben für einen Augenblick alles vergessen«, sagte sie leise. Die Worte schienen ihr passend, weil sie nichts preisgaben, Benjamin aber die Freiheit ließen herauszuhören, was immer er hören mochte. Er wirkte sehr verletzlich, wie er da vor ihr kauerte. Als er bemerkte, wo seine Hand lag, zog er sie errötend zurück.
    »Würdest du mich heiraten, Felicia?« fragte er. Wie viele schüchterne Menschen neigte er in mutigen Momenten zu Sprüngen ins kalte Wasser. Felicia, die das die ganze Zeit befürchtet hatte, strich sich die Haare zurück. »Ich mag dich sehr gern, Benjamin, wirklich. Aber ich glaube, ich kenne dich schon zu lange, und deshalb...«
    Benjamin, aufgewühlt bis ins Innerste, sah sie verletzt an.
    »Nicht länger als Maksim Marakow, oder?« fragte er scharf. Felicia fuhr auf. Die Maske lieblicher Unschuld glitt blitzschnell von ihrem Gesicht, sie bekam einen harten Zug um den Mund. »Wie kommst du jetzt auf Maksim Marakow?« gab sie zurück, so angriffslustig, daß Benjamin die Erwähnung dieses Namens schon leid tat. »Ach, nur so«, murmelte er aber Felicia ließ sich nicht abspeisen. »Warum gerade Maksim?«
    »Ich...« Er starrte an ihr vorbei zum See.

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