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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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sahen ihn verwundert an, zwei junge Mädchen stiegen die Treppe hinauf, kicherten, und eine zupfte ihn am Haar. In ihren Kleidern schwang Frühlingsduft und erinnerte ihn daran, daß draußen die Welt weiterexistierte und das Leben seinen gewohnten Gang ging. Seine eigene Zeit schien ihm vorbei zu sein, sie lief sich tot an dieser Tür vor ihm.
    In den frühen Abendstunden erschien Maksim. Wie immer, wenn er Schritte vernahm, wich Benjamin zurück, verschwand hinter der Treppenbiegung und spähte über das Geländer hinunter. Er erkannte Maksim sofort, obwohl er ihn so viele Jahre lang nicht gesehen hatte. Er konnte ihn beobachten, wie er vor der Wohnungstür stehenblieb und nach dem Schlüssel suchte. Unter dem Arm hielt er einen Stapel Papier, seine dunklen Haare waren zerwühlt, die Krawatte nur locker umgebunden. Was um Himmels willen sieht sie in ihm, fragte sich Benjamin verzweifelt, während ihm seine Phantasie mit unerbittlicher Grausamkeit überdeutliche Bilder vorspiegelte: Maksim und Felicia in einer wilden Umarmung, Maksim und Felicia im Bett. Ihm wurde übel, eilig preßte er die Hand gegen den Mund.
    Nicht lange nach Maksim kam Felicia. Benjamin erkannte sie schon am Schritt. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Er hatte das Licht im Treppenhaus angeschaltet, eine häßliche, kahle Birne an der Decke, die ein grelles Licht spendete. Benjamin wagte kaum zu atmen. Er beobachtete, wie Felicia innehielt, einen Spiegel und die Puderdose aus der Tasche zog und sich die Nase puderte. Sie trug ein grüngeblümtes Sommerkleid mit einer grünen Schärpe um die tiefliegende Taille, darüber einen Mantel aus braunem Mohair. Sie hatte keinen Hut auf, und ihre Haare waren wieder länger geworden; sie reichten jetzt bis auf die Schultern und glänzten rötlicher als früher. Sie färbt sich die Haare, dachte Benjamin entsetzt. Seine Mutter hatte von Frauen, die das taten, immer im Ton tiefster Verachtung gesprochen. Fasziniert schaute er zu, wie sie ihre Lippen nachzog. Sie war eine Fremde für ihn, wie sie dort in dem kahlen Flur, in dem häßlichen Treppenhaus stand, aber im gleichen Moment war ihm bewußt, daß sie nie etwas anderes als fremd für ihn gewesen war.
    Als sie an die Tür klopfte, meinte er, sterben zu müssen, aber diese Qual war noch nichts, verglichen mit der, die er empfand, als Maksim öffnete und die beiden einander gegenüberstanden. Er hatte den ganzen Nachmittag über versucht, sich diese Szene auszumalen. Er hatte sie sich stürmisch vorgestellt, verliebt, ein bißchen dramatisch, wie er es aus Filmen und Büchern kannte. Nichts davon fand in diesem Flur statt. Es war viel schlimmer: keine Umarmung, kein Sturm, nur Blicke, vertraut und zärtlich, ruhig und klar wie der Frühlingstag draußen, selbstverständlich wie die Sonne, freundlich wie die samtige Luft. Felicia hob die Hand und strich Maksim sacht über die Wange, er sagte etwas, leise und lächelnd, und trat zurück, um sie einzulassen. Die Tür schloß sich hinter ihnen.
    Benjamin erhob sich langsam. Mit brennenden Augen starrte er auf die Tür. Kraftlos und betäubt stolperte er die Treppe hinunter, unfähig zum Zorn, schwach und krank. Die Frau, die am Mittag geputzt hatte, saß auf der untersten Treppenstufe. Vor ihr stand eine andere Frau, auf dem Arm einen Säugling, in der Hand eine Zigarette. Die beiden unterbrachen ihren Tratsch, als Benjamin mit halbirrem Blick vorübertaumelte.
    »Heh, junger Mann«, sagte die Frau mit der Zigarette, »is'Ihnen nich' jut?«
    Benjamin starrte sie aus fiebrigen Augen an und ging weiter.
    »Der kommt unter die Räder«, stellte die andere Frau fest und schüttelte betrübt den Kopf.

    Felicia lag auf dem Rücken und rauchte eine Zigarette. Neben ihr hatte sich Maksim ausgestreckt, er stützte sich auf und streichelte Felicias Haar. Vom Hof herauf klang das Geschrei spielender Kinder.
    »Ich gehe in die Sowjetunion zurück«, sagte Maksim leise. Felicia nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette, blies den Rauch aus und sah ihm gedankenverloren nach.
    »Ich hab's mir schon gedacht.«
    »Kein Jahr mehr, und Mascha kehrt aus Sibirien zurück. Ich möchte da sein, wenn sie nach Hause kommt. Möglicherweise wird es Schwierigkeiten für sie geben, und sie braucht jemanden, der sich mit ihrem Anwalt in Verbindung setzt.«
    »Ja, ich verstehe.«
    Maksim nahm ihr die Zigarette aus der Hand und rauchte ein paar Züge.
    »Und du? Wohin werden dich deine Wege führen?«
    »Ich weiß nicht. Es wird alles so

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