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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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setzte er gönnerhaft hinzu.
    Nur das nicht! Felicia hätte lieber auf offener Straße kampiert.
    »Danke«, entgegnete sie von oben herab, »ich sehe mich lieber noch etwas um.«
    Victor zuckte mit den Schultern. Felicia nahm ihre Tasche auf und trat wieder hinaus in die sengende Hitze.
    In Scharen hasteten die Menschen die Bahnsteige entlang. Felicia wurde immer wieder angerempelt, zur Seite gestoßen oder von Krankenpflegern angeschnauzt, die ihr mit ihren Bahren entgegengeeilt kamen.
    »Machen Sie doch Platz!« schrie einer. »Herrgott, warum steht ihr feinen Damen einem bloß immer im Weg herum?«
    Felicia wich empört aus. In diesem Ton hatte selten jemand mit ihr gesprochen. Sie hob sich auf die Zehenspitzen und spähte umher. Wenn doch nur irgendein bekanntes Gesicht auftauchte, jemand, der ihr weiterhelfen konnte! Und gerade da entdeckte sie Maksim Marakow.
    Er stand, in grauer Uniform, neben einem anderen Soldaten am Rande der Gleise, rauchte eine Zigarette und hörte mit gerunzelter Stirn den Ausführungen des anderen zu. Er war sehrschmal geworden und sah, selbst auf die Entfernung, müde aus. Was Felicia am meisten erschreckte, war der dicke, weiße Verband, der sich um seinen rechten Arm schlang. Nun erst bemerkte sie, daß seine Uniformjacke nur lose um seine Schultern hing und der Arm mit einer Schlinge gestützt wurde. Maksim war verwundet.
    So rasch sie konnte, eilte sie auf ihn zu. »Maksim! Was ist denn geschehen?«
    Maksim sah sie überrascht an. »Felicia, was tust du denn hier?«
    »Ich war in Lulinn. Aber die Russen sind gekommen, und wir mußten fort. Ach, Maksim, und Großvater ist gestorben...«
    Es tat Felicia gut, von ihrem Kummer, von der Angst der letzten Tage berichten zu können.
    Maksim würde Mitleid mit ihr haben, ihr sagen, daß sie tapfer gewesen war, vielleicht würde er sie kurz an sich ziehen... Sie blickte zu ihm auf wie ein Kind und gewahrte einen Anflug zärtlicher Sorge in seinen Augen. »Du Armes«, sagte er weich. »Du hast eine harte Zeit hinter dir.«
    »Ja, das schon, aber... du doch auch!« Sachte berührte sie seinen Arm.
    Maksim lächelte. »Die Schlacht bei Gumbinnen forderte ihre Opfer«, meinte er leichthin, »hübsch, nicht? Der Arm wird wahrscheinlich steif bleiben. Leider kann ich mich auf diese Weise nicht wieder so schnell Deutschlands Feinden entgegenwerfen!«
    Der andere Soldat sah betreten zur Seite. Die Ironie in Maksims Worten war ihm nicht entgangen, und er wußte nichts damit anzufangen. Ein verlegenes Schweigen breitete sich aus, das Maksim schließlich brach. »Willst du etwa verreisen, Felicia?« Er wies auf ihre Tasche.
    »Ja. Ich will zurück nach Berlin. Ich muß einen Zug finden!«
    »Da wirst du kaum Glück haben. Es gibt keine Personenzüge. Schon gar keine Erste-Klasse-Coupés!«
    »Das ist mir egal. Und wenn ich auf einem Viehwagen fahre!
    Ich will endlich nach Hause!«

»Dabei ist es in Königsberg gerade so interessant!«
    Eilig blickte sie auf. Sie versuchte zu ergründen, ob in seiner Stimme ein Klang gewesen war, der sein Interesse daran verriet, daß sie blieb. Die Erkenntnis, daß er in Königsberg war, und die Frage, was sie denn eigentlich in Berlin sollte, durchzuckten sie gleichzeitig. Aber schon sagte er: »Naja, ich drehe dieser Stadt sicher auch bald den Rücken zu. Berlin ist immer noch besser.«
    »Gibt es denn keine Möglichkeit, daß ich von hier fortkomme?«
    Maksim schüttelte erst den Kopf, dann betrachtete er sie nachdenklich, und plötzlich umspielte ein boshaftes Lächeln seine Lippen. »Vielleicht gibt es eine«, meinte er, »bleib hier stehen. Ich will sehen, was ich tun kann!« Er verschwand im Gewühl. Felicia preßte ihre Tasche fest an sich. Wie gut, daß Maksim ihr half! Sie hatte ihn zu ihrer großen Liebe erkoren, und so nüchtern und berechnend sie den Männern sonst gegenüberstand, an diesem romantischen Traum hielt sie unerbittlich fest. Maksim allein vermochte einen Wesenszug in ihr zu berühren, der tiefer und noch fast versteckt in ihrem Inneren lag, den zu erwecken sie keinem sonst, nicht einmal sich selbst erlaubt hätte.
    Sie seufzte erleichtert, als sie ihn aus der Menge auftauchen sah. Er sah sehr zufrieden aus, aber etwas an dem heiteren Blinken in seinen Augen stimmte Felicia mißtrauisch.
    »Ich habe etwas für dich«, sagte er, »einen Zug nach Berlin. Komm schnell, er fährt in fünf Minuten ab!« Er nahm ihre Tasche und drängte sich vor ihr her den Bahnsteig entlang. Felicia folgte

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