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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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verblassen werden, und weil alles, was sich von nun an zwischen uns abspielt, von dieser Hast und Unruhe bestimmt sein wird, mit der er mir begegnet, von der Nervosität, mit der er mich braucht und wieder fallenläßt, braucht...
    »Wozu willst du so viel Geld?« erkundigte sie sich. Ihre Stimme hatte endlich wieder einen halbwegs normalen Klang. Sie merkte, daß sie ihn seine letzten Nerven kostete mit ihrer Fragerei; kaum merklich verkrampften sich die Finger seiner rechten Hand, schwach zuckte ein Muskel an seiner Schläfe. Beherrscht antwortete er: »Ich verlasse Deutschland. Ich habe meinen Abschied von der Armee genommen. Mein Arm ist ja ohnehin hinüber.« Er hob seinen steifen, linken Arm ein wenig an. »Und nun mache ich mich also in der Stunde der Not auf und davon. Aber ich denke, Kaiser und Nation werden auch ohne mich zurechtkommen.«
    »Wo willst du hin?«
    »Nach Osten.«
    »Rußland?«
    Maksim strich sich erschöpft über die Haare. »Felicia, kann ich nun das Geld haben oder nicht? Glaub mir, ich würde nicht hier stehen und dich aufhalten, wenn es nicht sehr wichtigwäre.«
    Nein, das würdest du nicht, dachte Felicia. Seine offensichtliche Müdigkeit und seine mühsam bezwungene Gereiztheit begannen auf sie abzufärben, sie fing an, sich elend und unwillig zu fühlen. Zugleich spürte sie den verzweifelten Wunsch, diese Minuten mit ihm festzuhalten, obwohl sie wußte, daß es nichts festzuhalten gab. In Wahrheit war Maksim überhaupt nicht bei ihr, seine Gedanken waren weit fort, und Felicia bedeutete für ihn nichts als einen ärgerlichen, unumgänglichen Aufenthalt. Jahre später, sie wußte es, wenn sie ihn an diesen Abend erinnern würde, dann würde er nicht sagen:
    »Aber ja, ich weiß, es war schon bald Mitternacht, und ich stand in der Küche neben diesem Drachen von einer Köchin. Du hattest ein bezaubernd schönes Ballkleid an, Liebling, und später, in diesem Salon, in dem schwachen Licht, warst du sehr blaß und sehr schön, und ich fragte mich, warum, zum Teufel, du diesen anderen Mann geheiratet hast.«
    Nein, das würden nicht seine Worte sein. Statt dessen würde er stirnrunzelnd sagen: »Im Juli 1915? Ja richtig, du willst mich erinnern, daß ich dir noch einhundert Goldmark schulde. Du bekommst sie bestimmt. Es war wirklich nett von dir, mir damals zu helfen!« Das war es. Einhundert Goldmark. Das war genau der Wert, den sie in diesen Augenblicken für ihn hatte, nicht mehr und nicht weniger. »Ich habe nicht so viel Geld«, sagte sie, »eigentlich habe ich gar kein eigenes Geld.«
    »Aber irgend jemand in diesem Haus wird doch...«
    »Ich kann nicht Alex danach fragen!« Zum erstenmal erwähnte sie ihren Mann, doch das löste keine Regung in Maksim aus.
    »Nein«, murmelte er bloß, »das kannst du wohl nicht...«
    Unschlüssig blickte er sich um. »Na ja, dann...«
    Felicia hatte einen Einfall. »Warte hier. Ich bin gleich zurück.« Zum erstenmal lächelte er. »Beeil dich. Ich wüßtewirklich nicht, was ich jemandem erklären sollte, der jetzt hier hereinkäme und mich fragte, was ich hier suche.«
    »Nur nicht nervös werden!« Sie verließ den Raum. Sie wußte nun, wer ihr das Geld geben würde. Wenn sie es geschickt anfinge, dann täte er es sogar mit dem größten Vergnügen. Sie kam vor Severins Zimmertür gleichzeitig mit Phillip an, der, sein brennendes Anliegen voller Nervosität mit sich tragend, einen etwas verstörten Eindruck machte. Er wäre liebend gern sofort ins Zimmer gestürzt und hätte den Antrag hinter sich gebracht, aber seine Höflichkeit zwang ihn, Felicia, die ihm bleich vorkam wie ein Geist, den Vortritt zu lassen. Er fragte sich, was sie wohl um diese Zeit von Severin Lombard wollte, und ging, die Arme auf dem Rücken verschränkt, mit langen Schritten auf dem Gang hin und her.
    Es überraschte Felicia, daß sie Severin vor einem aufgeklappten Koffer antraf, in den er wahllos und eilig ein paar Hemden, Hosen und sein Waschzeug warf. Er sah nur flüchtig auf, als seine Schwiegertochter das Zimmer betrat. »Hallo, Felicia«, sagte er, »was ist? Warum bist du nicht bei dem Ball?«
    Felicia wies auf den Koffer. »Willst du verreisen?«
    »Ich muß sofort weg. Noch mit dem Nachtzug nach Frankfurt. Ich habe ein Telegramm bekommen, daß mein ältester Bruder im Sterben liegt, und wenn ich jetzt nicht aufpasse wie der Höllenhund selber, reißen sich meine beiden raffgierigen Schwestern seine gesamte Hinterlassenschaft unter den Nagel, und die ist nicht zu

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