Sturz Der Engel
Ist es kostbar genug, dass dein Vater dafür sterben musste? Wenn ein paar verdammte Frauen unbedingt da oben leben wollen …« Zeldyan schüttelt den Kopf.
»Manche Frauen haben schon ihre Gatten verlassen. Einige wurde geschnappt, andere nicht.«
»Oh … dann haben die starken Männer von Lornth also Angst, weil es eine Zuflucht geben könnte, wo die Frauen nicht geschlagen werden und sogar Waffen tragen?« Zeldyan rückt wieder auf dem Stuhl herum. »Es tut mir Leid, Sillek. Du kannst ja nichts dafür. Du warst immer offen und ehrlich zu mir. Und auf seine Weise ist es auch mein Vater.«
»Ich bin nach wie vor der Herr von Lornth. Die Männer haben hier die Macht und sie erwarten von mir, dass ich die Dinge in Ordnung bringe – so, wie sie es sich vorstellen.«
»Wie sie es sich vorstellen … was sie sich vorstellen, kann unser aller Tod bedeuten.«
»Genau dies versuche ich ja zu vermeiden.«
»Ich weiß, ich weiß.«
»Ich bin bald wieder da.« Sillek küsst sie noch einmal auf die Wange. »Gegen Mittag?«
»Gegen Mittag.« Ihr Blick wandert zum Nachtgeschirr.
LXV
»Es tut weh … niemand hat gesagt, dass es so wehtut … verdammt, Ryba, verdammt!«
Sirets Worte, gedämpft durch die Treppe und die Zwischendecke, drangen dennoch deutlich aus dem Wohnquartier in den großen Saal.
Nylan sah Ryba an.
»Kinder zu gebären tut weh«, erklärte die Marschallin. »Ich werde das wohl bald aus erster Hand erfahren.« Sie zuckte zusammen, als Siret wieder brüllte.
Der Platz gegenüber von Nylans Sitzplatz war frei. Ayrlyn und Jaseen waren oben bei Siret. Am Fußende des Tisches saß Gerlich, der einen fragenden Blick zu Nylan warf und sich dann flüsternd mit Narliat verständigte. Der ehemalige Bewaffnete hob die Augenbrauen und starrte Nylan an.
Nylan spürte die Schmerzen der Gebärenden beinahe körperlich als Woge herunterwallen. Schließlich stand er auf. »Vielleicht kann ich Ayrlyn helfen.«
»Du bist kein Heiler oder Sanitechniker«, widersprach Ryba.
»Nein, aber das Heilen … es erfordert eine gewisse … Feldstärke … und dabei kann ich helfen. Außerdem«, fuhr er fort, während er bereits aufstand und sich ein paar Schritte entfernte, »außerdem mag ich es nicht, wenn ich herumsitzen muss und nichts tun kann.«
Das Schweigen hinter ihm hielt sich noch einen Augenblick, dann begannen wieder die Tischgespräche, sogar lauter als vorher.
Sirets Liege stand im Halbdunkel des nur von Kerzen erleuchteten Quartiers. Ihr Gesicht war gerötet, Ayrlyns Gesicht dagegen bleich. Jaseen starrte den Ingenieur an, als wollte sie ihn fragen, was er hier zu suchen hätte.
»Gut«, murmelte Ayrlyn.
Ohne zu fragen, berührte Nylan Ayrlyns Nacken und versuchte, der Heilerin ein Gefühl von Ordnung und Kraft zu übermitteln. Durch Ayrlyn spürte er, dass etwas nicht in Ordnung war.
»Du musst sie drehen«, sagte er leise. »Das Kind, meine ich.«
»Wie denn?«, murmelte Ayrlyn.
Nylan wusste es nicht. Er wusste nur, dass es sich falsch anfühlte. Er ließ Ayrlyn los und berührte Siret am linken Arm.
»Ihr seid gekommen, Ihr seid gekommen.« Erst jetzt schien sie ihn zu bemerken.
»Still«, sagte er verlegen. »Wir wollen sehen, was wir tun können.«
Jaseen runzelte die Stirn und hauchte hinter Ayrlyns Rücken: »Das Baby hängt fest.«
Nylan nickte und ließ wieder seine Wahrnehmung wandern. Es schien ihm beinahe, als versuchten seine Sinne ganz unabhängig von seinem Willen die Probleme zu erfassen. Die Nabelschnur hatte sich um den Hals des Kindes gelegt, der Geburtskanal war zu eng …
Zuerst … als würde er den Laserstrahl führen, stärkte er die Blutversorgung, damit mehr Sauerstoff und mehr Lebenskraft in die Beckengegend strömten. Von den unterschiedlichen, komplizierten Systemen im Körper verwirrt, tat er einfach, was sich richtig anfühlte, und hoffte, dass er sich auf seine Gefühle verlassen konnte, denn er war kein Arzt, sondern nur ein Ingenieur. Aber Ärzte gab es hier ja sowieso nicht.
»Sie atmet jetzt leichter …«, murmelte Jaseen.
Ayrlyn nickte.
»… tut so weh …«, wimmerte Siret.
Nylans Beine zitterten und er musste sich neben der Liege, die aus einem Landefahrzeug ausgebaut worden war, auf den Boden knien. Er strich mit den Fingern über Stirn und Bauch der silberhaarigen Wächterin, versuchte zu lösen, was gelöst werden musste, sehr sanft nur und mit einem Gefühl, als träumte er. Während der Raum ein unwirkliches Aussehen annahm, ordnete er die
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