Sturz Der Engel
eigenartigen, schwarz anmutenden Kräfte in ein Muster, das er nicht ganz verstand und das er nur fühlen konnte.
Neben sich spürte er eine weitere schwarz gefärbte Energie, die manchmal half und manchmal die Führung übernahm.
»Da!«, rief Ayrlyn. »Jetzt! Noch einmal pressen!«
»Ich presse doch schon«, stöhnte Siret.
Nylan schloss für einen Moment die Augen, weil er den Eindruck hatte, der ganze Raum drehe sich um ihn.
»Du musst noch einmal pressen«, drängte Jaseen. »Die Nachgeburt muss heraus.«
»Tut so weh …« Sirets Stimme war leise, aber schon wieder etwas kräftiger.
»Du schaffst es.«
»Gut.«
Nach einer Weile stand der Ingenieur auf und sah Ayrlyn an. »Du hast es geschafft.«
»Nein, du. Ich hatte nicht die Nerven, es zu versuchen, bis du begonnen hast.«
»Dann haben wir es zusammen gemacht.«
Sie betrachteten Siret und das Mädchen, das sie sich an die Brust hielt, das Neugeborene mit dem silbernen Flaum auf dem Kopf, der silbernes Haar werden würde, wie ihre Mutter es hatte.
Siret lächelte schließlich schwach und sagte: »Danke. Ich konnte spüren, wie Ihr etwas verändert habt … irgendwie. Sie hätte sonst nicht überlebt, nicht wahr?«
»Nein«, sagte Jaseen. »Aber sie ist ein kräftiges kleines Mädchen. Also mach dir keine Sorgen. So, und jetzt müssen wir euch waschen. Darum kann ich mich kümmern. Die beiden da«, sie nickte zu Nylan und Ayrlyn hin, »haben jedes bisschen Magie, das sie hatten, für dich eingesetzt. Du kannst dich glücklich schätzen.«
Siret schloss kurz die grünen Augen und öffnete sie gleich wieder. »Ich bin so müde.«
Nylan ließ noch einmal die Wahrnehmung wandern, weil er fürchtete, ein Blutgerinnsel oder etwas Schlimmeres könnte ihr Schwierigkeiten machen, aber abgesehen von den Wunden, die – wie sein Bewusstsein und seine Sinne ihm verrieten – für eine Geburt völlig normal waren, konnte er nur Erschöpfung ausmachen.
Er schüttelte den Kopf.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Jaseen.
»Nein, alles in Ordnung. Nur, dass alle zu glauben scheinen, dies hier wäre normal.«
Ayrlyn und Jaseen lachten.
»Ich brauche einen Tee«, sagte Nylan, »und hier kann ich jetzt ohnehin nichts mehr tun.« Er fühlte sich schuldig, als er sich zurückzog, aber Siret und ihre kleine Tochter waren anscheinend wohlauf. Er versuchte, das Blut zu ignorieren, das überall zu sein schien, als Jaseen mit der Desinfektion begann.
Langsam ging er die Treppe hinunter, aber dann lächelte er leicht, als ihm bewusst wurde, dass alles so verlaufen war, wie es hätte verlaufen sollen, auch wenn es eine eigenartige Erfahrung gewesen war. Er durchquerte den großen Saal und bemerkte am Rande, dass die Tische fast verlassen waren. Ryba war inzwischen gegangen.
»Du siehst aus wie ein stolzer Vater«, bemerkte Gerlich munter.
Narliat lächelte nervös.
»Weißt du, Gerlich«, erwiderte Nylan kalt, »die Frau hatte Schmerzen. Nur der Ordnung halber – nicht, dass es wirklich eine Rolle spielt –, ich habe nie mit ihr geschlafen. Das solltest du eigentlich wissen. Also halte den Mund, bevor ich dir einen Stein reinstopfe.« Er drehte sich um und ließ sich am Ende des Tisches nieder.
Gerlich saß da wie vor den Kopf geschlagen, aber das war Nylan egal. Er hatte genug von Gerlichs Spielchen und Anspielungen.
Kyseen oder Kadran oder sonst jemand hatte etwas Brot und Tee auf dem Tisch stehen lassen. Der Tee war nur noch lauwarm, aber er tat gut. Nylan aß langsam das Brot und schlürfte den Tee.
Nach einer Weile setzte Ayrlyn sich gegenüber von Nylan auf die Bank. »Danke. Um ein Haar hätten wir die beiden verloren.«
»Du hast das gut gemacht. Ich habe dir nur etwas geholfen.« Er legte die Hände um den Becher und blickte zum Fenster hinter ihr. Der Schnee war tatsächlich geschmolzen und das Armaglas war fast frei.
»Siret war froh, dass du gekommen bist.«
»Ich bin nur ein Ingenieur, der blind herumstolpert und tut, was er kann.« Er füllte seinen und dann ihren Becher nach. »Ich mache viele Fehler.«
Sie berührte kurz sein Handgelenk und er spürte einen warmen Strom. »Du bist ein guter Mann, Nylan. Es ist …« Sie unterbrach sich und wiederholte, was sie schon einmal gesagt hatte. »Du bist ein guter Mann. Vergiss das nicht.«
Nylan blickte zum Fenster. Er hoffte, der Frühling würde bald kommen, aber zugleich fürchtete er ihn auch.
Ayrlyn stand kurze Zeit später schon wieder auf, er blieb noch sitzen und trank seinen Tee. Er dachte
Weitere Kostenlose Bücher