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Sturz Der Engel

Titel: Sturz Der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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lügt, aber es zu wissen und es zu beweisen, das sind zweierlei Paar Schuh.« Ryba legte die Beine in eine andere Position. »Ich hasse das, die ganze Zeit sind meine Beine geschwollen. Ich werde jetzt schon als eine Art Tyrannin betrachtet und ich kann ihn nicht hinauswerfen oder töten, solange er mir nicht einen offensichtlichen Grund gibt. Aber das wird er nicht tun, weil er die Hitze in den tieferen Regionen nicht aushält, und dadurch wird es noch schlimmer. Er will Marschall werden und plant, meinen Platz einzunehmen.«
    »Aber wie? Außer Selitra kann ihn niemand leiden.«
    »Wer hat denn gesagt, dass es darum geht, wie gut man ihn leiden kann? Ich bin sicher, er benutzt Narliat, um sich Unterstützung von den Einheimischen zu verschaffen, auch wenn ich nicht klar sehen kann, wie das vor sich gehen soll.«
    »Unterstützung von den Einheimischen?«
    Ryba lachte heiser. »Gerlich ist ein Mann. Er kann mit dem Argument arbeiten, dass die Einheimischen zwar nicht in der Lage sind, Westwind einzunehmen, dass sie aber wenigstens dafür sorgen können, dass sozusagen einer von ihnen den Laden schmeißt. Er wird versuchen, in den örtlichen Adel aufgenommen zu werden oder wie das hier heißt, und wenn wir nicht aufpassen, könnte ihm dies sogar gelingen.«
    »Was ist … was ist mit deinen Visionen?«
    »Die sagen mir, dass Westwind überleben wird. Aber Westwind könnte auch unter Gerlichs Nachkommen überleben.« Ryba holte tief Luft und drehte sich um. »Ich hasse das.«
    Nylan runzelte die Stirn. Wie Gerlich hatte auch Ryba ihm nicht die ganze Wahrheit gesagt. Aber hatte überhaupt schon einmal jemand die ganze Wahrheit gesagt? Er leckte sich die Lippen.
    »Wir müssen schlafen.« Ryba beugte sich vor und blies die kleine Kerze aus, dann zog sie sich die Lederkleidung aus und streifte ihr Zelt von Nachthemd über.
    Nylan zog sich im Dunkeln aus.

 
LXXI
     
    N ylan stellte die Wiege so auf, dass Ryba sie sofort sehen konnte. Das helle Holz schimmerte im Zwielicht, das durch das einsame Armaglasfenster ihrer Behausung im obersten Stockwerk des Turms hereinfiel.
    Dann, als er spürte, dass sie die Treppe heraufkam, zog er sich in die dunkle Ecke hinter dem Kamin zurück und wartete. Nach einer Weile hörte er ihre Schritte, die unter dem Gewicht des Kindes, das sie unter dem Herzen trug, mit jedem Tag eine Spur langsamer und schwerer wurden.
    Nylan wartete, bis sie sich gebückt hatte, das Holz berührte, über die abgerundeten Ecken der Seitenbretter fuhr und den einsamen Baum betrachtete, der sich mitten im Kopfteil aus der geschnitzten Felslandschaft erhob.
    »Gefällt sie dir?« Er kam aus der Ecke heraus. Die Wiege selbst war zwar keine Überraschung mehr für sie, aber er hatte ihr keine Einzelheiten verraten, während er mühsam die Schnitzereien angebracht und nachgeschliffen hatte.
    Ryba richtete sich mit ernstem Gesicht auf. »Ja, sie gefällt mir. Ihr wird sie auch gefallen, wenn sie älter ist, und danach ihren Kindern.«
    »Wieder eine Vision?«, fragte er und versuchte, möglichst unbefangen zu sprechen.
    »Was du machst, machst du gut, Nylan. Ob es ein Turm ist oder eine Wiege.«
    »Beim Badehaus war ich nicht ganz so erfolgreich.«
    »Auch das wird in Ordnung kommen. Wir hatten den Winter über einfach nicht genug Holz, um es so warm zu halten, wie es nötig gewesen wäre.«
    »Die Wasserleitungen müssen tiefer gelegt werden.« Er blickte zur Wiege.
    Ryba folgte seinem Blick. »Sie ist wunderschön. Was soll ich dazu sagen?«
    »Ich weiß nicht.« Nylan wusste es wirklich nicht, er spürte nur, dass irgendetwas fehlte. »Ich weiß es nicht.«

 
     
     
     
     
     
     
     
III
     
    F RÜHLING
    IN W ESTWIND

 
LXXII
     
    I m kalten Licht der Sterne kämpft sich der kleine Mann durch den knietiefen, feuchten und schweren Schnee, der überall außer an der ledernen Kleidung haften bleibt. Der Schnee funkelt weiß und reflektiert genug Licht, damit er den Weg findet. Die Stiefel knirschen auf der verharschten Kruste, die sich auf der Straße gebildet hat. Frühestens in einigen Achttagen werden hier wieder gewöhnliche Reisende unterwegs sein.
    Leises Flügelrauschen ist in der leichten Brise zu hören, die durch die Zweige der Kiefern und Tannen streicht, ein dunkler Schatten zieht über den Himmel und stößt auf einer fernen Lichtung herab.
    Der Reisende schaudert, aber er geht mechanisch weiter, als hätte er Angst, Halt zu machen.
    Während er einen Fuß vor den anderen setzt, pendelt auf

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