Sturz Der Engel
könnt Ihr das ja morgen übernehmen«, sagte Huldran, als Nylan schon mit Relyn zusammen hinaus in die kühle Luft vor der Schmiede trat.
»Was habt Ihr gearbeitet?«, fragte Nylan.
»Was ein einarmiger Mann eben tun kann. Gras zum Trocknen sammeln, für Blynnal Blätter vom Teebeerenbusch lesen, Wagenpferde mit Pflastersteinen führen. Ich beschäftige mich, so gut es geht. Dies ist kein Ort, wo ein Mann faul herumsitzen sollte.«
»Ihr könntet Euch davonschleichen.«
»Wohin soll ich gehen?«, fragte Relyn. »In Lornth bin ich nichts und überall, wo man ihn nicht kennt, gilt ein Einarmiger als Dieb.«
»Man schneidet hier doch nicht den Leuten die Hände ab, wenn sie gestohlen haben?«
»Nicht überall, aber es heißt, man tut es in Certis und Lydiar. Daher …« Relyn zuckte mit den Achseln und ließ den Satz unvollendet. »Ich mache mich eben nützlich. Einige Frauen wie die arme Blynnal reden sogar mit mir. Aber keiner der Engel außer Euch und der Heilerin und ein paar der Silberhaarigen lassen sich dazu herab. Ihr seid die wahren Engel, die das Schwarz der Ordnung hüten.«
»Ich glaube nicht, dass man silberne Haare haben muss, um die Ordnung zu schätzen«, gab Nylan zurück. Seine Stiefel schlurften über das Straßenpflaster.
Der gepflasterte Abschnitt der Straße reichte inzwischen von der Zufahrt des Turmes bis zur Mündung der Schlucht, wo die Ställe standen, und auf der anderen Seite bis über die Brücke, die den Abwasserkanal überspannte. Am oberen Abschnitt des Straßenstücks, das den Hügel hinauf führte, waren Steine gestapelt. Dort würde die Straßenbaumannschaft also als Nächstes arbeiten.
Ein Karren mit Holz näherte sich holpernd dem Turm. Kyseen führte das Wagenpferd und ließ ungeduldig die langen Zügel knallen. Mehr als mannshoch waren an der Westseite der Straße, die zur Zufahrt führte, drei Reihen von gehacktem Holz aufgetürmt und schufen einen weiteren Wall, der dem Turm etwas Schutz bot.
Nylan schnupperte. Der Wind, der von Süden her wehte, trug den Geruch von feuchter Erde, von bewässerten Feldern und frisch geschnittenem Gras heran. Vom südlichen Hof drang das Knallen der Holzstäbe herauf, die beim Übungskampf aneinander geschlagen wurden.
Jeden Spätnachmittag unterwiesen Saryn, Ryba, Istril und Kadran die neuen Wächterinnen mit Stäben, die mehr oder weniger den Schwertern von Westwind nachempfunden waren.
Nylan gestattete sich ein kleines, bitteres Lächeln. Seine Vermächtnisse würden vermutlich der Schwarze Turm und die tödlichen Waffen der Wächterinnen sein. Früher oder später, wenngleich noch nicht in den nächsten paar Jahren, würden die Kompositbogen zerbrechen, aber seine Bemühungen in der Schmiede waren der Beweis, dass er in bescheidenem Rahmen auch ohne den Laser Schwerter herstellen konnte. Die Legierungen waren eine Hilfe, doch er nahm an, dass ein guter einheimischer Schmied allein mit einheimischen Stahlsorten ganz ähnliche Ergebnisse erzielen könnte.
Als er stehen blieb, um den Übungskampf zu beobachten, fiel ihm auf, dass Ryba zum ersten Mal seit langer Zeit neben ihren beiden Schwertern auch eine Pistole trug.
»Nylan! Du kannst doch sicher einen Augenblick erübrigen, um mit uns zu üben«, rief Ryba.
Er zuckte mit den Achseln und ging zum Übungsgelände.
»Nistayna kennst du schon? Dies hier ist Liethya, das dort ist Quilyn.« Ryba warf einen Blick zu ihren drei Schülerinnen. »Nistayna, du bist bisher am weitesten gekommen.« Sie gab Nylan ihr Übungsschwert.
»Aber bitte nicht zu verbissen«, protestierte Nylan. »Ich bin steif vom Schmieden.«
»Die Schwerter hoch«, befahl die Marschallin.
Nylan hob das Holzschwert und versuchte, sich innerlich auf den Kampf einzulassen.
Nistayna wirkte beinahe schüchtern. Nylan konnte ihr Übungsschwert ohne weiteres abwehren und ihr auf die Schulter tippen.
»Nistayna! So wirst du im Handumdrehen umgebracht«, fauchte Ryba. »Gib mir dein Schwert.«
Nylan begriff, was Ryba vorhatte, und wartete, während sie die Schultern hochzog und das Schwert hob.
Dann griff er an, so gut er konnte. Ryba parierte und ging ihrerseits zum Angriff über. Nylan musste zurückweichen. Auch die Holzschwerter konnten weh tun, besonders wenn Ryba kräftig zuschlug.
Der Ingenieur-Schmied versuchte, das Gefühl von Ordnung und Struktur zu finden, das er in der Schmiede bei der Arbeit mit der Metallklinge gespürt hatte, und während er es tat, schien das Übungsschwert leichter zu werden und
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