Sturz Der Engel
presste er sich wieder beide Hände auf den pochenden Kopf.
Relyn kam leise herein. Der ehemalige Adlige trug einen handgefärbten schwarzen Mantel, dazu schwarze Hosen und ein Hemd.
»Relyn?«
»Ich wollte mich bei Euch bedanken.«
»Warum?« Nylan hätte beinahe gelacht. »Wofür wollt Ihr Euch bedanken?«
»Dafür, dass Ihr die Dinge so klar gemacht habt, Ser.« Relyn setzte sich Nylan gegenüber auf die Bank.
Nylan betrachtete den schwarz gekleideten Mann. »Mit tut der Kopf weh und ich glaube, ich kann noch nicht besonders schnell denken. Was meint Ihr damit? Was habe ich Euch klar gemacht?«
Relyn kratzte sich am Kopf und rieb sich die Nase. »Zuerst dachte ich, Ihr hättet eine Magie, die Ihr vom Himmel mitgebracht habt. Als die Magie vom Himmel erlosch, dachte ich, Ihr hättet Werkzeuge vom Himmel. Dann habe ich gesehen, wie Ihr weiter gebaut habt, und schließlich dachte ich, dass die größte Magie immer im Kopf eines Mannes steckt.«
»Es hilft natürlich, wenn man über Wissen verfügt«, sagte Nylan trocken. »Manchmal ist der entscheidende Punkt das Wissen, dass etwas getan werden oder nicht getan werden kann.«
Relyn lächelte verständnisvoll, sagte aber nichts.
Nylan trank noch einen Schluck Wasser. »Was wollt Ihr denn jetzt tun?«, fragte er, nachdem er den Becher wieder abgestellt hatte.
»Zunächst will ich versuchen, mehr über die Legende und den Weg der Ordnung zu erfahren, solange Ihr und die Sängerin mich unterweisen wollt. Beizeiten werde ich dann gehen und andere unterweisen.«
»Was wollt Ihr sie denn lehren?«
»Das, was ich gelernt habe. Dass alles, was ein Mann tut, in Harmonie mit dem sein muss, was er denkt. Dass die Ordnung die größte Kraft von allen ist.« Relyn zuckte mit den Achseln. »Ihr wisst schon …«
Nylan war gar nicht sicher, ob er es wusste. »Damit könntet Ihr Euch sehr unbeliebt machen, Relyn.«
»Ich habe mich entschieden. Ich werde nach Osten gehen oder Lornth ausweichen und weit in den Westen gehen. In Lornth würde man mich nicht sehr freundlich aufnehmen, besonders nicht, nachdem Lornth besiegt worden ist.«
»Nach allem, was die Heilerin von den Händlern erfahren konnte, hat Fürst Sillek Söldner angeheuert und besitzt mehr Geld denn je zuvor. Dennoch glaubt Ihr, er wird besiegt werden?« Nylan machte eine ausholende Geste. »Wir haben hier vielleicht dreißig oder höchstens vierzig Kämpfer. Wie viele kann er mitbringen? Hundert? Hundertzwanzig? Zweihundert, vierhundert?«
»Es wird dennoch nicht ausreichen«, erwiderte Relyn lächelnd. »Heute sind schon wieder drei Frauen beim Schwarzen Turm eingetroffen. Gestern kam eine, zwei am Tag davor. Sie haben Schwerter mitgebracht, einige auch Geld. Eine ist mit einem eigenen Packpferd gekommen, auf das Waren geladen waren. Sie war bereit, die Dinge auch dann den Engeln zu überlassen, wenn sie nicht bleiben durfte.«
Nylan holte tief Luft. »Die Frauen dieser Welt haben die Nase voll.«
»Wenn ich Euch richtig verstanden habe, dann trifft dies zu.« Relyns Lächeln verschwand. »Je länger Fürst Sillek wartet, desto mehr Wächterinnen und Waren wird Westwind haben. Zwei von denen, die dazugekommen sind, hatten nicht nur eigene Schwerter dabei, sondern wussten auch mit ihnen umzugehen.«
»Ich fürchte, genau aus diesem Grund wird Euer Fürst Sillek nicht mehr lange warten.«
»Er ist nicht mein Fürst Sillek. Ein enterbter Mann hat keinen Lehnsherrn mehr. Das ist einer der wenigen Vorteile«, erklärte Relyn lachend. »Und nur wenige würden einen Einarmigen angreifen, denn darin liegt keine Ehre. Wenn die richtige Zeit gekommen ist, werde ich also aufbrechen.«
»Warum geht Ihr nicht schon jetzt?«
»Ich will warten, bis Lornth zerstört ist. Dann kann ich der Welt berichten, welche Macht die Legende hat.«
»Ihr habt einen starken Glauben.« Viel stärker als meiner, dachte Nylan. Viel stärker.
»Nein, ich weiß es einfach.« Relyn rutschte von der Bank. »Ihr seid müde, ich will Euch nicht noch weiter ermüden.«
Eine Weile blieb Nylan einfach mit geschlossenen Augen sitzen. Hauptsächlich tat ihm der Kopf weh, besonders schläfrig fühlte er sich jedoch nicht. Relyn redete, als wären Ayrlyn und er selbst, Nylan, die Verkünder eines neuen Glaubens, und das bereitete dem Schmied Sorgen. Als ob sein Kopf nicht auch so schon weh genug tat.
Schließlich stand er auf und ging durch die offene Südtür auf die Zufahrt hinaus. Das große Hügelgrab war inzwischen doppelt so lang
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