Sturz Der Engel
verloren haben.«
»Auch der Ring deines Vaters ist verloren und seine Ehre nicht gerächt.« Ellindyjas Stimme ist kalt wie Eis.
»Der gegenwärtige Fürst von Lornth wüsste es sicher zu schätzen, wenn du Vorschläge hättest, meine liebe Mutter, die mich weder ruinieren noch unser Land ungeschützt Fürst Ildyroms Zugriff überlassen.«
»Ich habe mir meine Gedanken gemacht, Sillek – ich habe über Erbschaft und Ehre nachgedacht.«
Fürst Sillek schürzt die Lippen, dann fragt er: »Welche Gedanken, abgesehen von einem Angriff, den wir uns nicht erlauben können, hegst du?«
»Nun … wenn man im Verborgenen vorgehen würde, so wie es eher einem Händler entspräche, mein Sohn, dann dürfte es doch nicht schwer sein, einige … einige Abenteurer zu finden, die vielleicht auf eine Belohnung aus sind … vielleicht auf ein Stück fast wertlosen Landes, auf einen Titel … vielleicht auf einen Straferlass … falls nötig …« Ellindyja lächelt liebenswürdig.
»Hmm …« Sillek wandert unruhig zum Fenster des Turms und wieder zurück. Seine Finger spielen im sauber getrimmten Bart. »Das ist bei weitem nicht so teuer wie der Einsatz von Truppen. Es könnte sogar – auf die eine oder andere Weise – das Banditentum eindämmen helfen.«
»Ich bin dir mit Freuden zu Diensten, Sillek, wie ich deinem Vater zu Diensten war. Er war ein äußerst ehrenhafter Mann.«
»Ich glaube, wir sollten unser Angebot lieber nicht an die große Glocke hängen.«
»Nein … wir sind ja auch keine Händler. Unterrichte deine Magier und die Anführer der Bewaffneten und sorge dafür, dass auch die Händlergilde es erfährt. So gehen die klugen Kaufleute vor.«
»Ich weiß deinen Rat sehr zu schätzen.« Sillek tritt wieder ans Fenster und blickt zum peitschenden Regen hinaus, der von den Westhörnern herunter kommt. »Dein Rat ist mir immer willkommen.« Das Wort ›Rat‹ betont er ein wenig stärker als den Rest des Satzes.
»Das freut mich.«
Sillek dreht sich erst wieder um, als er ein falsches Lächeln aufgesetzt hat.
XXI
N ylan spritzte sich noch einmal Wasser ins Gesicht und versuchte, den Steinstaub abzuwaschen, dann nahm er einen großen Schluck vom kalten Wasser des Baches, um den beißenden Geschmack und den Staub loszuwerden, der unweigerlich durch seine Nasenlöcher eindrang und ihm die Kehle austrocknete. Nach einem weiteren Schluck kehrte er zum Turm zurück. Im festgetrampelten Lehm vor den aufgestapelten Steinen, wo Cessya und Huldran gewöhnlich abwechselnd Schieferplatten für das Dach schnitten, waren Istril und Ryba in einen Übungskampf vertieft. Sie benutzten die Holzschwerter, die für Anfänger sicherer waren.
Nylan schauderte. Früher oder später würde auch er an der Reihe sein. Er stellte seinen Becher auf einen Stapel schwarzer Steine und sah zu, wie als Nächstes Saryn und Ryba zu üben begannen. Obwohl Saryns Bein noch von einer leichten Schiene geschützt wurde, zuckten die Stäbe immer schneller hin und her, bis Nylan schon vom Zuschauen außer Atem war. Auch Istril und Siret sahen zu, in Bann geschlagen wie er.
Als Saryn humpelnd zurückwich und den Stab sinken ließ, atmete der Ingenieur erleichtert auf.
»Ach, ja«, sagte jemand auf der Sonnenseite eines Stapels geschnittener Steine, die für das vierte Stockwerk des Turms gedacht waren.
Nylan beugte sich vor. Narliat saß dort und genoss die Wärme, die von den Steinen reflektiert wurde. »Wie bitte?«
»Wenn ich die Engelinnen sehe, diese beiden da, dann verstehe ich, warum Fürst Nessil tot ist.«
»Hast du Fürst Nessil gemocht?«, fragte Nylan. Er bemühte sich, möglichst unbefangen zu klingen.
»Er war ehrlicher als die meisten anderen, aber er konnte schrecklich sein, wenn er wütend wurde – und er war oft wütend. Das meinte ich aber nicht, Magier. Ich bin ja auch ein Mann und ich war ein Bewaffneter.« Narliat zuckte mit den Achseln. »Ich würde es nicht wagen, gegen Eure Engelinnen das Schwert zu erheben. Sie würden mich mit drei Hieben umbringen, sogar jene, die verkrüppelt ist, und dabei habe ich selbst eine Reihe Männer im Kampf getötet. Arme Bauern zwar, aber sie waren stark und wollten nicht sterben.« Narliat blickte wieder zum Übungsplatz, wo Ryba Saryns Beispiel gefolgt war und die Waffe zur Seite gelegt hatte. »Ich sehe die Engelinnen und ich sehe, wie die ganze Welt sich ändern wird.«
Nylan trat der Schweiß auf die Stirn, wie er da in der vollen Sonne stand. Er betrachtete den
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