Sturz Der Engel
wartete, blickte er nach Südwesten zur eisigen Nadel Freyjas. Der Gipfel funkelte in der Mittagssonne wie einer der Deenergetisatorstrahlen, die er mit dem Netz der Winterspeer gelenkt hatte. Er schluckte. Das war Vergangenheit und keine Wehmut der Welt konnte diese Zeiten und dieses Universum zurückholen.
Es war in der Tat ein ganz anderes Universum. An der Oberfläche sah diese Welt gar nicht so ungewöhnlich aus, aber die Unterschiede waren schwerwiegender, als den meisten Engeln bewusst war. Dennoch … Rybas Bemerkungen machten ihm Sorgen – diejenigen, die er selbst gehört hatte, genauso wie jene, von denen Huldran berichtet hatte. Neigte sie auf einmal zum Größenwahn, bekam sie Allmachtsphantasien? Wie konnte sie zu wissen behaupten, was geschehen würde? Gab sie sich Illusionen hin, weil sie nicht akzeptieren konnte, dass sie nicht mehr fähig war, die Winterspeer wie ein mächtiges Schwert zu führen, um die Dämonen zu zerschmettern?
»Hier wäre dann der Mörtel, Ser.« Huldran schob den Trog auf die Bretter.
Mit der Maurerkelle – auch dieses Werkzeug hatte er mit dem Laser geschnitten – verteilte er den rötlichgrauen Mörtel auf die Steine, die er gerade gesetzt hatte.
Er wurde unterbrochen, als zur Warnung die Triangel angeschlagen wurde. Das Scheppern hallte laut über das Dach der Welt.
»Banditen!«
Nylan schob den fünften schweren Stein auf dem Mörtel zurecht und versuchte, sich durch das Wiehern der Pferde und die lauten Befehle nicht stören zu lassen.
»Istril! Du reitest unten entlang und versuchst, ihnen den Weg abzuschneiden. Nimm das Gewehr!«
»Fierral, du führst die zweite Gruppe an … nimm Gerlich mit …«
»Formiert euch, formiert euch!«
Als Nylan endlich den Stein loslassen und die Treppe hinauf eilen konnte, um über die Außenmauer hinweg nach unten zu blicken, konnte er nur noch die Staubwolken hinter den ausrückenden Marineinfanteristinnen sehen, die sich hinter Ryba und der rothaarigen Anführerin gesammelt hatten. Ein Dutzend waren, mit Klingen und Feuerwaffen ausgerüstet, zu beiden Seiten neben dem Gipfel des Höhenzuges zwischen den Felsen als Schutz zurückgeblieben.
Auf der anderen Seite des Hügels, wo inzwischen ein Trampelpfad nach unten führte, konnte Nylan Hufschläge hören. Er sollte vielleicht, überlegte er sich, Markierungen setzen, damit man den Weg auch im Winter noch finden konnte. Oder vielleicht sollte er angesichts des Schlamms lieber gleich eine gepflasterte Straße bauen.
Ein Pferd, mit zwei Reitern schwer beladen, trottete über die Anhöhe und dahinter wieder bergab. Blut strömte über das Gesicht der Reiterin, die vorne saß.
»Sanitäter, Sanitäter!«, rief die zweite Reiterin.
»Das ist Denalle«, sagte Weblya, die mit Cessya gerade den letzten der schweren Balken einsetzte, die den Fußboden des fünften und die Decke des vierten Stockwerks bilden sollten.
»Sie blutet und hat einen Pfeil durch den Arm bekommen«, fügte Cessya hinzu.
Nylan sah einen Augenblick zu, bevor er sich wieder den Steinen zuwandte. Der Mörtel würde aushärten, bevor der letzte Stein an Ort und Stelle war, wenn er sich nicht beeilte, und er konnte ohnehin nichts tun, was Ayrlyn oder die Sanitäterinnen nicht viel besser hätten tun können.
Er trug eine weitere Schicht Mörtel auf, hob den nächsten Stein an die richtige Stelle und ignorierte das Gespräch der beiden Marineinfanteristinnen, die im Stockwerk unter ihm beschäftigt waren.
»… meint wohl, er dürfte keinen Augenblick verlieren …«
»Sieh dir nur das Eis da oben an. Willst du in einem dieser Landefahrzeuge mit den dünnen Wänden sitzen, wenn wir bis zur Nasenspitze eingeschneit sind?«
»Aber … aber Denalle ist verletzt …«
»Was kann der Ingenieur denn tun, was die Sanitäter nicht besser können?«
»Ein Glück, dass ich kein Offizier bin … die Kapitänin ist nicht zu beneiden.«
»Nein, in ihrer Haut möchte ich nicht stecken und mit dem Ingenieur würde ich auch nicht tauschen.«
Die nächste Bemerkung war geflüstert, dann folgte ein Lachen.
»Lass das lieber, du würdest dir eine Menge Ärger einhandeln.«
Nylan errötete, fuhr aber fort, den Mörtel zu verteilen. Nachdem er den sechsten Stein gesetzt hatte, trug er den fast leeren Trog mit Mörtel nach unten, wo Huldran inzwischen mit einem Vorschlaghammer und einem Keil, den Nylan hergestellt hatte, Schieferplatten spaltete.
»Der verdammte Schiefer«, fluchte die kräftige Kämpferin. »Er spaltet
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