Sturz der Marionetten: SF-Thriller
waren so fern, sie hätten in einem anderen Sonnensystem sein können, weit außerhalb meiner Reichweite.
Die anderen hielten ein, zwei Sekunden länger aus als ich, aber das war nicht ihrer Agilität geschuldet. Verglichen mit den Vlhani waren wir alle nur Würmer, einer nach dem anderen aufgelesen von Kreaturen, die größer und schneller waren, Kreaturen, für die unsere Fluchtversuche nur ein jämmerlicher Witz waren. In dem Moment, in dem ich unterlegen war, sah ich, wie Oscin, der schneller reagiert hatte als ich, Pakh Valinia zur Seite stieß. Er sah, dass ich gefangen war, tat reflexartig einen Schritt in meine Richtung, und dieser Schritt allein verriet eine Reaktionsgeschwindigkeit, die für die meisten unmodifizierten Menschen einer Beschämung gleichgekommen wäre, ohne dabei miteinzubeziehen, wie schnell er hätte werden können, hätte er eine Chance zur Flucht bekommen. Aber diese Chance war auch ihm verwehrt. Eine andere Peitsche wickelte sich um seine Fußgelenke und zog sich zu, riss seine Beine mit markerschütternder Gewalt zusammen. Noch im Fallen streckte er die Hand nach mir aus, die Augen geweitet, den Mund zu einem verzweifelten Aufschrei geöffnet. Die nächste Peitsche wickelte sich viermal um seinen Brustkorb, riss ihn endgültig von den bereits gefangenen Beinen und zog ihn durch das Loch in der Decke.
Pakh Valinia blieb etwas mehr Zeit. Sie war hart auf dem Boden aufgekommen, ein, zwei Meter auf dem Bauch weitergerutscht und mit der Wand kollidiert, als sie gerade etwas an Geschwindigkeit verloren hatte. Sie schaffte es, sich auf den Rücken zu drehen, und sie begegnete meinem Blick, die geröteten, verweinten Augen vor Schreck geweitet. Ich konnte ihr die momentane Unentschlossenheit nicht vorwerfen, als ihre natürlichen Instinkte mit dem nutzlosen Bedürfnis stritten, irgendetwas für uns zu tun. Möglich, dass sie, hätte sie noch eine Sekunde oder zwei Zeit gehabt, aufgesprungen wäre, um diesem letzten Impuls mit einem hilflosen, trotzigen Rettungsversuch nachzukommen. Aber sie hatte keine Sekunde mehr. Ihr blieb nur noch zu schreien, als zwei Peitschen herabschossen und sie in die zunehmende Dunkelheit entführten.
Die Peitsche in meiner Leibesmitte riss mich unter grober Missachtung der Empfindlichkeit menschlicher Körper empor. Das hatte nichts gemein mit meiner Begegnung mit dem Vlhani, der sich ein paar Minuten auf unverständliche Weise mit mir hatte unterhalten wollen. Der war sanft und bedächtig mit mir umgegangen. Diesen hier kümmerte das keinen Fliegenschiss. Die plötzliche Aufwärtsbewegung war so schnell, dass die Ruine, der umgebende Wald, das Gelände selbst und der dunkler werdende Himmel vor meinen Augen verschwammen und nur noch als zerfaserte Farbstreifen erkennbar waren - ein Anblick, der mir zusätzliche Übelkeit bereitete, als die Masseträgheit mich in zwei Teile reißen wollte. Ich verlor den wenigen Atem, den ich hatte schnappen können.
Ich erhaschte einen Blick auf Tara Fox, die als Letzte aus der Ruine gezerrt wurde. Sie schien von Panik etwa so weit entfernt zu sein, wie sie es vielleicht in einem Sitzungssaal gewesen wäre oder im Bett, konfrontiert mit der Art von Träumen, die sich aufmachten, den Träumer so gänzlich zusammenhanglos zu besuchen. Auf ihrer Stirn sah ich eine diagonal verlaufende rote Linie, aus der Blut in ihre Augen floss. Als sie an mir vorbeigezogen wurde, sah sie mich an, und ich entdeckte etwas Anklagendes in ihrer sonst so ausdruckslosen Miene, etwas, das zu entschlüsseln ich keine Sprache benötigte.
Sie klagte mich an, sie im Stich gelassen zu haben. Oder Merin.
Die vier Vlhani, die uns entführt hatten, waren nicht die einzigen Angehörigen der Streitmacht, die auf das Thane-Gelände vorgedrungen war. So, wie wir durch die Gegend gezerrt wurden, war es schwer, sie zu zählen, aber es waren mindestens zehn. Ihre spiegelnden Köpfe kamen dicht an uns heran und dümpelten dann wieder davon, umkreisten uns auf eine Weise, die entweder ihre Absicht widerspiegelte, uns zu ängstigen, oder ihren Eifer, die Beute, die sie gefunden hatten, zu untersuchen.
Das Labor stürzte ein, gab endgültig nach unter den Einwirkungen der zusätzlichen Schäden, die ihm zugefügt worden waren, und eine braune Staubwolke stieg über dem Ort auf, an dem es gestanden hatte. Ich hatte genug Zeit mir darin ein Monument des größtmöglichen Schadens vorzustellen, den Menschen mit den besten Absichten verursachen konnten, ehe ich wieder
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