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Sturz der Tage in die Nacht

Sturz der Tage in die Nacht

Titel: Sturz der Tage in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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einen Kosmonauten haben wir!
Das hatten Punks mit Taschenmessern eingeritzt, die man dafür sofort festgesetzt hatte.
    Ton stellte das leere Glas auf den Couchtisch. Das Leben war manchmal länger als einem guttat, dachte er. Irgendwann gab es keine vernünftige Balance mehr zwischen dem, was man gewesen war, und dem, was man sein wollte, und er merkte, wie er gedanklich den Anschluss verlor, und als er ihn wiederfand, klingelte es. Er erwischte die falsche Taste an der Gegensprechanlage, und es fiepte sehr hoch, ehe er eine menschliche Stimme auf der Straße ausmachen konnte.
    »Schlafen kannst du, wenn du tot bist«, sagte Feldberg. »Lass mich rein.«
    Feldberg nahm ihm den Schwung. Er hatte etwas von einem Mehlwurm, der es nicht an die Oberfläche schaffte. Aber er war nützlich und irgendwann war er mal ein Kumpel gewesen, und wenn man ihn ein bisschen ankurbelte, hatte man mit diesem ehemaligen Kumpel sogar Spaß.
    Feldberg lief ins Wohnzimmer durch, warf seine Jacke auf die Armlehne des weißen Ledersofas, stand mitten im Barock und sagte: »Inez hat einen ideologischen Stützpunkt aus deinem Jungen gemacht.«
    »Wird langsam Zeit, dass du dir das alte Vokabular abgewöhnst.«
    »Schade drum.«
    »Drück dich wenigstens deutlich aus.«
    »Wenn das große Bruderland uns damals geholfen und ein paar Tonnen von seinem Gold auf den Weltmarkt geworfen hätte, dann hätte es keine Probleme mehr gegeben, und ich könnte heute das Vokabular immer noch benutzen.«
    »Komm zur Sache. Du läufst spät genug hier auf. Was trinken?«
    »Mein spätes Erscheinen dient der Gewährleistung deiner Unbescholtenheit. Besonders jetzt. Vor den Wahlen.«
    »Schon gut, Rainer. Liefer mir einfach die Informationen. Was hast du?«
    »Punkt eins«, sagte Feldberg, ohne sich zu setzen, und öffnete seine lederne Tasche, »Inez’ Stellung auf der Insel ist aufgrund wahrer und unwahrer Angaben angegriffen. Der Vereinsvorsitzende bezweifelt ihre Fähigkeiten. Es gibt Pflanzen auf der Insel, die dort nicht hingehören, und er ist sicher, dass sie –«
    »Weiter.«
    »Weitere Personen sind aufgrund vorgetäuschten Verhaltens meinerseits nicht gut auf sie zu sprechen. Ein Mitarbeiter lebt in der Annahme, Inez sei finanziell an einem deutsch-schwedischen Konsortium beteiligt, das die Insel kaufen will. Er glaubt, man hat sie eingeschleust, um die Lage für ein teures Ferienresort zu sichten. Ich habe ihm Gutachten gezeigt. Die alten Baugrundgutachten damals vom Griebnitzsee. Erinnerst du dich?«
    »Drei von vier waren brühwarm gelogen, und sie wollten mich zwingen, den Finanzierungsplan auf dem mit den schlechtesten Grundwasserverhältnissen aufzubauen. Natürlich erinnere ich mich daran. Der reine Boykott!«
    »Ich habe die Adressköpfe geändert. Mehr war nicht nötig. Er ist einer von diesen hundertprozentigen Ökos. Die Leichtgläubigkeit dieser Bande ist frappierend. Vollkommen einseitige Informationsbeschaffung, was zu schwerer Angreifbarkeit durch jede Art von Verschwörungstheorie führt. Der hält das kaum aus.«
    »Das heißt –«
    »Das heißt, Inez wird innerhalb ihrer Bezugsgruppe nach und nach isoliert. Und sie weiß sehr genau, auf wessen Kappe das geht.– Danke. Ich trinke gern was.«
    »Sie konnte sich also an dich erinnern.«
    »Ihre Ausweichmanöver waren niedlich!«
    »Was ist mit dem Jungen?«
    »Mal abgesehen davon, dass ich nicht an mich halten konnte und ihn darüber informiert habe, dass Inez früher die Beine für jeden breit gemacht hat, habe ich mit ihm Wand an Wand gewohnt.«
    »Was noch.«
    »Keine Angst. Meine Legendierung ist nach wie vor wasserdicht. Ich bin in seinen Augen der oberste Naturschutzfuzzi.
Mit Fuchs und Dachs und Vogelwelt steh’n wir auf du und du.
«
    »Auf deine Naturbegeisterung lasse ich einen Furz und auf dein Gesangstalent erst recht.« Die Nacht würde gut werden. »Was weiß er von
ihr

    »Felix, er weiß nichts!«
    »Aber er wird es herausfinden. Deswegen ist er da«, sagte Ton. »Und zwar schneller, als wir dachten.«
    »Er hat vergessen, weswegen er da ist.«
    Ton holte ein zweites Glas aus dem Schrank. Er positionierte sie nebeneinander. Es würde eine Nacht werden, nach der es nichts mehr zu durchdenken gab. Auf Feldberg war Verlass. Man musste nur zuerst sein Spiel spielen. Ton goss die Gläser bis zum Eichstrich voll.
    »Was hast du ihm gesagt?«
    »
Ihm
habe ich gar nichts gesagt.«
    »Das ist nicht dein Ernst! Du solltest ihn mitbringen.«
    »Inez gegenüber habe ich

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