Sturz der Tage in die Nacht

in die bloße Ahnung des Möglichen hinein, ein waches Delirium, das sie sechzig Fallmeter nach unten riss, bis genug Wind unter den Flügeln war, der ihren Fall schließlich aufhielt und sie anhob und trug.
    »Sie haben doch was miteinander«, hatte die Reporterin Inez gefragt. »Sie und der Junge.«
    »Wir haben alles«, hatte Inez gesagt.

Das Meer
    Die Sehnsucht hat jetzt einen Ort, an dem sie sich wieder und wieder entzündet.
    An diesem Ort wird es eine Frau geben, die olivgrüne Shirts trägt. Die unter den olivgrünen Shirts ein Büstier trägt, dessen Träger weiß leuchten. Eine Frau, die nicht altert.
    Ein Boot legt ab.
    Je weiter das Boot sich entfernt, desto weniger wird ihr olivgrünes Shirt von den moosigen Felsen zu unterscheiden sein. Die Frau wird undeutlich werden vor dem in den Vordergrund tretenden Gestein, dem türkisfarbenen Wasser, dem Strand, an dem verstreut ein paar Hütten stehen. Bevor sie verschwindet, wird sie eine Zeitlang noch eine Silhouette sein, eine aus dem Hintergrund geschnittene olivfarbene Form mit menschlichem Umriss. Aber schließlich löst sich der Umriss auf. Ihre Gestalt sinkt ein in die Umgebung aus Felsgestein.
    Erst, wenn nichts, wenn kein Schatten, keine Spur mehr von ihr zu erkennen ist, wird sie deutlich und klar in dem Jungen entstehen.
    Sie wird eingegangen sein in ihn.
    Sie wird seine Gedanken, seine Regungen, jede Geste, jedes Wort, sie wird alles, was er tut, begleiten.
    Sie wird dort sein, wo sie am vorstellbarsten ist, in der
Behausung
des Ich, und sollte sie ihn dort je verlassen, wird das eine Langsamkeit haben, die jener gleicht, mit der ein versteinerter Schwamm erodiert.

Mein herzlicher Dank gilt Silvia Bovenschen, Petra Gropp und Petra Quillfeldt.
    Für die Förderung der Arbeit an diesem Roman bedanke ich mich beim Deutschen Literaturfonds, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Östersjöns Författar- och Översättarcentrum Visby und dem Literaturhaus Lenzburg.
    Danke Lena.

Über Antje Rávic Strubel
    Antje Rávic Strubel wurde 1974 geboren und lebt in Berlin. Sie veröffentlichte die Romane ›Offene Blende‹ (2001), ›Unter Schnee‹ (2001), ›Fremd Gehen. Ein Nachtstück‹ (2002), ›Tupolew 134‹ (2004) und ›Vom Dorf. Abenteuergeschichten zum Fest‹ (2007). Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, ›Kältere Schichten der Luft‹ (2007) war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und wurde mit dem Rheingau-Literatur-Preis sowie dem Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet.
     
    Weitere Informationen, auch zu E-Book-Ausgaben, finden Sie bei www.fischerverlage.de

Impressum
    Covergestaltung: hißmann, heilmann, hamburg
    José María Sicilia/akg-images/© VG Bild-Kunst, Bonn 2011
    © 2011 S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
    >Printed in Germany
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
    ISBN 978-3-10-401600-9



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